Gonsalv K. Mainberger, Die französische Gelehrtenrepublik zur Zeit der Frühaufklärung. Fromme Denker und radikale Reformer, Verlag Königshausen & Neumann Würzburg 2016, 312 S., € 49,80.

2015 verstarb der Schweizer Theologe, Philosoph und langjährige „Wort und Antwort“-Autor G.K. Mainberger; von 1947 bis 1975 gehörte er dem Schweizer Vikariat bzw. ab 1953 der Schweizer Provinz des Dominikanerordens an. Seine intellektuelle Vorliebe galt französischen Denkern der Neuzeit: Michel Foucault und Claude Lévi-Strauss, Roland Barthes und Georges Bataille, Michel de Certeau SJ und Emmanuel Levinas, und immer wieder Paul Ricœur. In seinem letzten Werk, das erst nach seinem Tod publiziert werden konnte, befasst sich Mainberger mit der Interaktion der philosophischen, religiösen und politischen Entwicklungen im Frankreich des 17. Jahrhunderts. Sein Interesse galt immer den Möglichkeiten der menschlichen Vernunft im Gegensatz zu dogmatischen Vorgaben, gleich ob diese absolutistisch geformten politischen Machtkonstellationen oder kirchlich-theologischen Hegemonieansprüchen entsprungen sein mögen. Manche Einzelthesen hat Mainberger im Laufe der Jahre auf den jährlichen Treffen der von Paulus Engelhardt OP (1921–2014) verantworteten „Philosophisch-Theologischen Arbeitsgemeinschaft Walberberg“ zur Diskussion gestellt. Am Beispiel gelehrter Freigeister (libertins érudits) zeigt der Verf., wie diese sich klandestin gegen religiöse Bevormundung und politischen Terror zur Wehr setzen. Mainbergers diskursanalytische Rekonstruktion der Frühaufklärer setzt bei dem ‚langweiligen‘ Philosophen (vgl. 31) Pierre Charron (1541-1603) an (1. Teil) und führt die Leser*innen bis hin zu dem Theologen und Logiker Antoine Arnauld (1612-1694) und seinem Briefwechsel mit Gottfried W. Leibniz (4. Teil). Der 2. Teil widmet sich der Selbstermächtigung des Menschen und rekonstruiert dazu Stimmen aus dem Untergrund zwischen Provokation und Verheimlichung. Im 3. Teil schließlich erinnert Mainberger an die „hochgebildete, hartnäckig auf Gewissensfreiheit pochende und zugleich der Demut verpflichtete Gemeinschaft Port-Royal des Champs“ (154). Diese Gemeinschaft, zu der „Klosterfrauen, sympathisierende Damen adeliger Herkunft, Männer aus verschiedenen Ständen, Laien und Geistliche“ (ebd.) gehörten, hatte angesichts der Gewalt, die von Versailles und Rom ausging, keine Chance. Mainberger analysiert die in diesem Kontext entstandenen subversiven Texte gekonnt und nachvollziehbar als Zeugnisse der Figurationen der Rationalität und der ichvermittelten Herzensspiritualität – und erzählt damit indirekt auch etwas über sich selbst als dominikanisch frommen und zugleich radikal freisinnigen Denker zwischen „thomistische[r] Begriffswelt“ (ebd.) und „cartesianische[r] Wahrheitssuche“ (ebd.). Ein sehr anspruchsvolles und noch mehr empfehlenswertes Buch!

Ulich Engel OP, Berlin – Münster