Juan Ginés de Sepúlveda, Democrates Secundus. Zweiter Democrates. Lateinisch/Deutsch, hrsg., eingeleitet u. ins Deutsche übers. von Christian Schäfer (Politische Philosophie und Rechtstheorie des Mittelalters und der Neuzeit Reihe I Bd. 11), Verlag Frommann-Holzboog Stuttgart-Bad Cannstatt 2018, 266 S., € 168, –.

Das erste Mal überhaupt liegt nun die Übersetzung des „Democrates Secundus“ in deutscher Sprache vor, das der spanische Gelehrte Ginés de Sepúlveda (1490–1573) verfasst hatte, vor allen Dingen, um den Nachweis zu liefern, dass ein Königreich (wie Spanien) prinzipiell das Recht habe, gegen ein Land (wie das sog. Westindien) einen gerechten Krieg zu führen, wenn die dortigen Einwohner (wie die sog. Indios) sich nicht an moralische (d. h. europäische) und religiöse (d. h. katholische) Normen hielten. Der Ansatz Sepúlvedas, der sich auf weiten Strecken an Aristoteles orientiert und eine Parallele zwischen antiken Barbaren und amerikanischen Ureinwohnern herstellt, war von Anfang an in der spanischen akademischen und politischen Welt nicht unumstritten, obgleich es eigentlich bestimmte Praktiken der spanischen Krone leichter hätte rechtfertigen können. Allgemein bekannt ist die in den Jahren 1550/51 vor dem Indienrat angesetzte „Gran Disputa de Valladolid“ zwischen Sepúlveda und seinem prominentesten Gegner, dem Dominikanerbischof Bartolomé de Las Casas. Sepúlveda bediente sich in der Argumentation vor allem seines einige Jahre zuvor verfassten „Democrates Secundus“, die zweite Schrift, die ein fiktives Gespräch zwischen Democrates (der die Position Sepúlvedas vertrat) und einem anderen Protagonisten namens Leopold (der die Position der Gegner vertrat) darstellt. Sepúlveda nennt vier Gründe, warum ein Krieg wie der Spaniens gegen die Indianer gerechtfertigt sei: die Eingeborenen seien Barbaren, sie verstießen permanent gegen das Naturrecht, sie brächten Menschenopfer dar und sie müssten aufgrund des biblisch gebotenen Missionsauftrags zwangsweise christianisiert werden.

Es ist das Verdienst von Christian Schäfer (Philosophie, Universität Bamberg), den Text Sepúlvedas in einer angesehenen Reihe unter Verwendung des seitens Sepúlvedas verbesserten und erweiterten Textes des „Codex Salmanticensis“ herausgegeben, eingeleitet und ins Deutsche übersetzt zu haben. In der Einleitung des Textes geht der Herausgeber auf die Quellenlage ein, so wie er auch Probleme der Übersetzung u. a. bestimmter Termini wie „ius gentium“, „pius“ oder „religio“ behandelt. Dies ist vor allem bei so zentralen Begriffen wie Sklave und Sklaverei von Bedeutung, da Sepúlveda nicht das aristotelische „doulos“/„douleía“ verwendet, sondern „servus“/„servitus“. Die Vermutung, dass Sepúlveda damit vielleicht habe ausdrücken wollen, sein Sklavenverständnis sei gar nicht das harsche aristotelische, sondern vielmehr das neuzeitliche im Sinne von Leibeigenschaft, lässt sich, so Schäfer, aber nicht erhärten (LXX). Sepúlvedas Ansatz bleibt problematisch und erschreckend zugleich.

Es ist interessant, das philosophische Denken Sepúlvedas über seine Schrift hinaus zu beleuchten, wie es Schäfer in seiner ausführlichen Einleitung tut. Juan Ginés de Sepúlveda ließ sich im Rahmen seiner akademischen Laufbahn immer wieder von antiprotestantischen und erasmuskritischen Vordenkern inspirieren. Bei allem Respekt vor seiner akademischen Leistung (vor allem als Humanist und Experte in den alten Sprachen) löste er mit seinen radikalen Thesen zum gerechten Krieg gegen die indianischen Völker scheinbar doch eher Verwunderung unter seinen Zeitgenossen aus, genährt von der Kritik seiner – von ihm auch so empfundenen – Erzfeinde, den Dominikanern seiner Zeit. Las Casas war dabei nur ein prominenter Vertreter, denn auch seine Mitbrüder Francisco de Vitoria oder Domingo de Soto lehnten Sepúlvedas Theorie und auch seine eigenwillige Interpretation des Aristoteles ab. Die Kontroverse von Valladolid ging zwar ohne eindeutiges Ergebnis zu Ende, aber nicht zu Unrecht fühlte sich Sepúlveda zunehmend akademisch und politisch isoliert.

Die Herausgabe dieses zweisprachigen Textes mit der ausführlichen Einleitung und einem hilfreichen Anhang kann nicht genug gewürdigt werden.

Thomas Eggensperger OP, Berlin – Münster