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Udo Di Fabio (Hrsg.), Reformation und die Ethik der Wirtschaft, Verlag Mohr Siebeck Tübingen 2018, 92 S., € 12,–.

Das vorliegende schmale Bändchen ist die Frucht einer Tagung (2016) des Wissenschaftlichen Beirats „Reformationsjubiläum 2017“ unter der Leitung des Herausgeber dieses Bandes, U. Di Fabio, aus dem einige der Beiträge in dieser Besprechung besonders herausgehoben werden.

Ausgehend von den Veränderungen im Zuge der Reformation spielten in der neuen Theologie auch wirtschaftliche Themen eine Rolle. „Luthers Lehre war wirtschaftlich ambivalent. Einerseits war sie – anders als es dem Calvinismus oder dem Pietismus zugeschrieben wird – kein ideelles Förderprogramm des Kapitalismus, sondern biblisch kritisch gegenüber der Logik des Zinses und der Rendite.“ (Di Fabio, Vorwort V.).

Werner Plumpe (Wirtschaftsgeschichte, Frankfurt/M.) setzt sich in seinem einführenden Beitrag „Die ökonomische Bedeutung des reformatorischen Denkens“ (1–20) mit den wirtschaftshistorischen Belangen des religiösen Wandels im 16. Jahrhundert auseinander. Die nicht unumstrittene, aber durchaus folgenschwere Auseinandersetzung mit Max Webers Schrift „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ lohnt weiterhin. Plumpe möchte das Wechselverhältnis von einer bestimmten Religiosität resp. Handlungsmoral und ökonomischem Handlungserfolg oder -misserfolg näherhin beleuchten. Es ist evident, dass wirtschaftliche Themen in der Reformationszeit oder in der (zeitgleichen) Epoche der Spanischen Spätscholastik eine Rolle spielten. Im ausgehenden 19. Jahrhundert hantierte man zunehmend mit Themen wie Askese, Berufsgedanke, marktadäquates Handeln oder Sozialdisziplinierung und hielt dies wie selbstverständlich für eine Folge protestantischer Normativität. Der Autor des Beitrags zeigt, dass das Phänomen differenzierter zu betrachten ist. „In der reformatorischen Programmatik finden sich Momente, die auf den späteren Kapitalismus, oder besser, die moderne Wirtschaft hinweisen, namentlich die Vorstellung von Berufsfleiß und Arbeitsdisziplin. Andere Vorstellungen hingegen deuten keineswegs in die Richtung der modernen Welt, namentlich die Verdammung des individuellen Vorteilsstrebens und des Konsums sowie das verbreitete Misstrauen in die Fähigkeit des Menschen, Gottes Gebote zu achten und entsprechend zu handeln.“ (18)

In seinem Beitrag „Weltlicher Gottesdienst“ (43–64) fragt der emeritierte evangelische Bischof Wolfgang Huber nach der Aktualität der reformatorischen Wirtschaftsethik. Er distanziert sich von einer irgendwie gearteten Funktionalisierung der Weberschen These, die von Weber selbst in einer nachfolgenden Schrift relativiert wurde, denn nicht die ethische Lehre einer Religion ist im soziologischen Sinne des Wortes deren spezifisches Ethos, sondern dasjenige Verhalten, auf welches quasi Prämien (z. B. Heil in der Prädestinationslehre) verteilt wurden. „Zu bezweifeln ist jedoch, dass der Geist, den der Protestantismus dem Kapitalismus auf den Weg gegeben hat, der Geist der ‚Heilsprämie‘ war.“ (48) So setzt Huber an, wirtschaftliches Handeln als „weltlichen Gottesdienst im Licht der Rechtfertigungslehre“ (ebd.) zu skizzieren. Luther betonte den im Wert gleichrangigen doppelten Beruf des Menschen: den Beruf zum Glauben an Gott und zum Dienst am Nächsten. Arbeit wird also hoch geschätzt (in Anlehnung an den hl. Hieronymus: „Alle Werke der Gläubigen sind Gebet“; zit. 55), Faulheit gilt als Gleichgültigkeit dem Nächsten gegenüber. Calvins Ethik ist nach Meinung Hubers vor allem eine „Ethik der Dankbarkeit“ (55), d. h. man darf sich der Gaben Gottes in der Schöpfung erfreuen und sie auch – vernünftig und maßvoll – nutzen. Weder bei Calvin noch bei Luther findet sich nach Huber die Idee, dass der berufliche Erfolg die Gewissheit des Heils zu verbürgen vermag. Nicht umsonst habe auch die evangelische Sozialethik in Deutschland heute im Wesentlichen drei Schwerpunktthemen gesetzt – die Kritik an Exzessen des Finanzkapitalismus, der Parteinahme für die Armen und der Wertschätzung von Arbeit und Beruf.

Diesen Ansatz führt der Herausgeber des Bändchens, der Jurist U. Di Fabio fort. In seinem Aufsatz „Reformatorische Ethik zwischen Logik der Wirtschaft und Privatautonomie des Lebensalltags“ (65–88) versteht er die Beziehung von Religion und Wirtschaft hinsichtlich des Übergangs zur Neuzeit als „Ko-Evolution maßgeblicher sozialer Interaktionssphären“ (67) und gerade nicht als monokausal mit Luthers Auftreten erklärungsfähig. Dabei ist, so Di Fabio, die Position Luthers zwischen theologischer Normativität und pragmatischer Stabilität ein gewisser Kompass. „Es gilt, die Linien zwischen Lebensalltag und der Logik wirtschaftlicher Interaktion neu einzuzeichnen in eine sich technisch weiter umwälzende Gesellschaftsordnung, die aber im institutionellen Fundament häufig allzu sorglos ist und deshalb womöglich zuerst spirituell und dann auch im Rationalitätsniveau zurückfallen wird.“ (87f.)

Im Nachklang des Reformationsjahres handelt es sich bei diesem kleinen Sammelband um eine gute und nachvollziehbare Aktualisierung der Weberschen These zum (vorgeblichen) Geist des Protestantismus.

Thomas Eggensperger OP, Berlin – Münster