Editorial
Gender: seit Jahren und über Kontinente hinweg befeuert ein Fachbegriff aus den Sozial- und Kulturwissenschaften ideologische Debatten. Auf politischer Seite kämpfen zumeist rechte Gruppierungen verbissen gegen alle Formen von zumeist linker Wokeness. Auch in vielen Kirchen – allen voran der katholischen – wird oftmals ein sog. „Genderismus“ verteufelt. Das vorliegende „Wort und Antwort“-Heft möchte in dieser emotional aufgeheizten Gemengelage aufklären, differenzieren und Position beziehen. Gender und sex verstehen wir dabei nicht als sich ausschließende Gegensätze. Während sich gender auf die sozial konstruierten Rollenerwartungen, Verhaltensweisen und Identitäten bezieht, die einer bestimmten Geschlechterkategorie zugeschrieben werden, beruht sex als biologisches Geschlecht auf körperlichen Merkmalen wie den Fortpflanzungsorganen. Beide Aspekte gehören zum Menschsein dazu: als Gottes Gabe und menschliche Aufgabe gleichermaßen.
Zum Auftakt des Heftes zeigt der Alttestamentler Thomas Hieke (Mainz) am Beispiel einer queer-integrierenden Bibelauslegung von Gen 1,27 und 5,2, dass eine aus heteronormativer Sicht formulierte Ausgrenzung von queeren Menschen keinesfalls mit der Bibel zu rechtfertigen ist. Der Kirchengeschichtler Anselm Schubert (Erlangen-Nürnberg) zieht diese Linie weiter aus und weist auf, wie alle Aussagen über das körperliche Geschlecht Christi als historisch relativ zu betrachten sind. Konsequenzen, die sich aus solchen Befunden für das pastorale Handeln der katholischen Kirche ergeben, thematisieren Weihbischof Ludger Schepers (Essen) im „Stichwort“ sowie Matthias Berger (Mainz) in einem Erfahrungsbericht. Ulrich Engel OP (Berlin) skizziert in der Rubrik „Wiedergelesen“, wie der Theorieansatz von Judith Butler der Kirche helfen könnte, ihre immer noch queerfeindlich-gewaltsame Normierungskultur selbstkritisch zu revidieren. Heinz-Jürgen Voß (Merseburg) untermauert die theologischen Erkenntnisse aus der Perspektive aktueller biologischer Forschungen und setzt deren Ergebnisse in ein Verhältnis zu den gesellschaftspolitischen Veränderungen der jüngeren Zeit. Aus juristischer Sicht befasst sich Anja Böning (Hagen) mit den in den vergangenen Jahrzehnten gemachten Fortschritten in der Geschlechtergleichstellung; dennoch ist eine faktische Angleichung immer noch nicht erreicht. Last but not least präsentiert Uwe Weibrecht OPL (Coronel José Dias) mit Gonzalo von Amarante OP (ca. 1187–1259) eine „Dominikanische Gestalt“, die, ob ihrer erotischen Konnotationen, in Brasilien bis heute leidenschaftlich verehrt wird.