Karl Josef Rivinius, Giordano Bruno, Leo XIII. und Römische Frage, Aschendorff Verlag Münster 2018, 260 S., € 40,–.

Der Autor, Steyler Missionar und emeritierter Kirchenhistoriker (PTH St. Augustin) legt mit dieser Studie nicht nur eine Biographie Giordano Brunos (1548 Nola – 1600 Rom), sondern auch einen Überblick über die Kirchenpolitik seiner Zeit vor.

Filippo Bruno trat 1565 in das Dominikanerkloster Neapel ein und erhielt den Ordensnamen Giordano, zum Priester wurde er 1572 geweiht und wirkte an verschiedenen Orten als Seelsorger. Je intensiver er sich mit philosophisch-theologischen Studien auseinandersetzte, desto größer wurden seine Zweifel an der kirchlichen Lehre. Christliche Dogmen wie den personalen Gott, die Inkarnation Gottes, die Transsubstantation und die Jungfräulichkeit der Gottesmutter lehnt er schließlich ab. Zudem kritisierte er öffentlich kirchliche Missstände. Es verwundert nicht, dass er in Konflikt mit der römischen Inquisition geriet. Giordano legte seinen Habit ab, verdiente seinen Lebensunterhalt zunächst in Noli und Venedig, um dann schließlich in Genf formell zum Calvinismus zu konvertieren. Nachdem er sich aber auch mit seinen neuen Glaubensbrüdern angelegt hatte, zog er weiter nach Lyon und Toulouse, um dort Fächer außerhalb des theologischen Kanons zu unterrichten. 1582 wechselte er nach Paris und beschäftigte sich zunehmend mit Themen wie Alchemie und Himmelskunde. Kurz darauf fand er sich London als aktiver Wissenschaftler, Lehrer und Autor. Seine erneute Rückkehr nach Paris war nicht mit Erfolg beschieden – auch hier gab es Krach und Streit aufgrund seiner unkonventionellen Thesen; er suchte sein Glück in Marburg, Wittenberg, Prag und schließlich Frankfurt/M., Zürich und Padua. Sein unstetes Leben erfuhr nach seiner Reise nach Venedig einen Einschnitt, denn dort wurde er bei der Inquisition angezeigt und schließlich verhaftet. Im Wesentlichen verteidigte sich Bruno damit, dass er Philosophie getrieben habe und deshalb auch nicht gegen die kirchliche Doktrin habe verstoßen können. Nach seiner Auslieferung nach Rom wurde dort der Prozess gegen ihn neu aufgerollt und man verurteilte ihn zum Tode. Da er einen Widerruf verweigerte, wurde er von Kirche und Orden per Exkommunikation verstoßen und verbrannt.

Das Anliegen von Rivinius ist es, einen Zusammenhang herzustellen zwischen Giordano Bruno auf der einen Seite und einer Geschichte mit hohem Konfliktpotenzial auf der anderen Seite, die in der Zeit des „Risorgimento“, der Bestrebung um Italiens nationale Einigung ihren Ausgang nahm. Im 2. Kapitel des Buches skizziert der Autor die Geschichte der Einigung Italiens („Italienische Frage“) und des Untergang des Kirchenstaates („Römische Frage“) (53), das 3. Kapitel beschreibt das Pontifikat Leos XIII. Im 4. Kapitel geht der Autor auf die Giordano-Bruno-Feier von 1889 ein, die auf einen gewaltigen Stimmungswechsel vom Ketzer zum verehrten Denker hindeutete, nachdem man seine längst vergessenen Schriften wieder ans Tageslicht brachte und edierte. So wurde Bruno vom verfolgten Philosophen zum Helden der antiklerikal ausgerichteten Nationenbildung. „Der größte Teil der eingeladenen Gäste und Zuhörer waren notorische Freimaurer, Agnostiker und Atheisten, die in Reden und Publikationen den Nolaner als Gegner des Papsttums und als Leugner der christlichen Offenbarung verherrlichten. Wie sich zeigte, war die Festveranstaltung nicht nur gegen das Papsttum gerichtet, sondern ganz allgemein gegen die christliche Doktrin.“ (102) Es verwundert nicht, dass die päpstliche Kurie irritiert, aber auch verunsichert war, was sie in Folge auch deutlich artikulierte (5. Kapitel). Die Beziehung zwischen Hl. Stuhl und italienischem Staat war erheblich zerrüttet, was sich auch während des Pontifikats Pius’ X. oder Benedikts XVI. nicht änderte. Schließlich wurde die „Römische Frage“ in den Lateran-Verträgen einvernehmlich geregelt (6. Kapitel).

Das Buch von Rivinius ist eher eine Darstellung der italienischen Gründungsgeschichte des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts unter Einbeziehung der Rezeption Giordano Brunos als eine Biographie desselben, was es aber in dieser Hinsicht zu einer interessanten Publikation macht.

Thomas Eggensperger OP, Berlin – Münster