Bernhard Grümme, Öffentliche Politische Theologie. Ein Plädoyer, Verlag Herder Freiburg/Br. 2023, 286 S., € 48,–.
Angesichts der gegenwärtigen pluriformen Krise plädiert B. Grümme für eine „kritische Revitalisierung“ (15) der Politischen Theologie, um sie der Ausrichtung der evangelisch geprägten Öffentlichen Theologie bzw. Public Theology folgend, fit zu machen für den gesellschaftlichen Diskurs. Der vielleicht interessanteste Impuls dieser Studie geht dabei von den Überlegungen zu den „Vernunfttheoretischen Grundierungen Politischer Theologie“ aus, in der der Verf. produktiv die kritischen Einsprüche poststrukturalistischer und postkolonialer Theorien in eine Kriteriologie für politische wie religiöse Geltungsansprüche einarbeitet (137–153). Hierzu entwickelt der Verf. das Konzept des „Selbstreflexiven Universalismus“ (147–168). Die Idee: Für das Fortführen der Ideale der Aufklärung bleibt das Konzept der Universalität letztlich unverzichtbar, angesichts von dessen problematischen historischen Verbindungen zu Kolonialismus und Gewalt lasse sich dies aber nur vertreten, wenn Universalität radikal transformiert werde. Unter Bezugnahme ähnlicher gegenwärtiger Konzeptionen in der (Politischen) Philosophie (vgl. den „Metanormativen Kontextualismus“ von A. Allen oder O. Boehms „Radikaler Universalismus“) erweitert der Verf. den an Kant angelehnten deontologischen Universalismus um die Kriterien der Hegemonialsensibilität (Machtstrukturen innerhalb der Normativität kritisch zu hinterfragen), der Kritischen Selbstreflexion (kritischer Umgang mit machförmiger Normativität auch in der eigenen Analyse gesellschaftlicher Strukturen) und der Diskursivität (Legitimität von Normen als Aushandlungsprozess im sozialen Diskurs).
Diese vernunfttheoretische Neubestimmung, die in gewisser Hinsicht einen Nachtrag des systematischen Unterbaus der „Öffentlichen Religionspädagogik“ des Verf.s darstellt, ist fachübergreifend gerade deshalb von großer Bedeutung, da sie im Letzten einen Brückenschlag zwischen modernen liberalen Ansätzen einerseits und postmodernen anderseits anzielt. So hält der Verf. einerseits zwar an der normativen Vernunftfundierung liberaler und deliberativer Demokratietheorien fest, bricht diese aber andererseits alteritätstheoretisch durch bestimmte Elemente der postmodernen Radikaldemokratie (vgl. Ch. Mouffe, J. Rancière) auf. Einer der Schlüssel hierzu dürfte auch in der praxeologischen Orientierung liegen, in der Demokratie als Lebensform betrachtet wird (61–72). Auch hierin liegt ein wichtiger Impuls von Grümmes „Entwurf“ (5), dessen breite Rezeption und kritische Weiterentwicklung auch über das Feld der Politischen Theologie hinaus zu wünschen ist.