Stephan van Erp / Daniel Minch (eds.), T&T Clark Handbook of Edward Schillebeeckx, Bloomsbury T&T Clark London 2022, 463 S., € ca. 40,00.

Mehr als 15 Jahre sind seit dem Tod des Dominikanertheologen Edward Schillebeeckx OP (1914–2009) ins Land gegangen. Interessanterweise ist die Rezeption seiner Theologie bis dato nicht zum Erliegen gekommen. Ein markanter Beweis dafür ist das 2020 im Hardcover-Format und zwei Jahre später in einer preisgünstigen Paperback-Ausgabe erschienene gewichtige Schillebeeckx-Handbuch. 27 Autor:innen erschließen in dem voluminösen englischsprachigen Werk die historischen, philosophischen, theologischen und politischen Aspekte des Denkens des flämischen Dominikaners. Als einer der einflussreichsten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts kam Schillebeeckx eine Schlüsselrolle in der Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in der beratenden Arbeit 1962–1965 vor Ort in Rom wie auch in den Debatten um die Rezeption der Konzilsbeschlüsse zu. Seine Auseinandersetzungen mit Exegese, Hermeneutik und kritischer Theorie schlugen sich vor allem in seiner Trilogie „Jesus“ (1974, dt. 1980), „Christus“ (1978, dt. 1980) und „Menschen“ (1989, dt. 1990) nieder. Die drei Bücher wiesen ihn als höchst innovativen Theologen aus.

Verantwortlich für die Publikation des T&T Handbook’s zeichnen zwei ausgewiesene Schillebeeckx-Experten: St. van Erp OPL (Professor für Fundamentaltheologie an der KU Leuven) und D. Minch (Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Dogmatik der Universität Bochum). Nach einer Einleitung der Herausgeber zu Leben und Theologie des Dominikaners, zum Stand der Schillebeeckx-Forschung sowie zu Inhalt und Struktur des Handbuchs folgen vier Hauptkapitel, die die Wurzeln seines Denkens (I), sein Engagement rund um das Vaticanum II (II), weitere theologische Themen (Gott, Schöpfung, Sakramente, Anthropologie, Gnade, Auferstehung und Eschatologie, Reich Gottes-Offenbarung, Autorität sowie Amt) (III), und last but not least Schillebeeckx’s Kulturtheologie (IV) vertiefen. Ein Index und ein Abkürzungsverzeichnis mit Verweis auf die elf Bände der „Collected Works of Edward Schillebeeckx“ (Bloomsbury T&T Clark London 2014) ergänzen das beachtliche Œuvre.

Aus Platzgründen können hier nicht alle Beiträge angemessen gewürdigt werden. Hingewiesen sei deshalb – pars pro toto – auf die Rekonstruktion der Auseinandersetzung Schillebeeckx’ mit dem Werk des Thomas von Aquin durch Pim Valkenberg (Professor für Kultur und Religion an der Catholic University of America, Washington D.C.). Schillebeeckx’s entsprechende Rezeption setzte mit seiner Doktoratsthese ein, weitete sich in seinen frühen Vorlesungen und findet ihr Ende erst in seinem vorletzten (in „seiner“ „Tijdschrift voor Theologie“) veröffentlichten Artikel: „Verlangen naar ultieme levensvervulling: Een kritische herlezing van Thomas van Aquino, in: TvT 42 [2002], 15–34.) Valkenberg interpretiert Schillebeeckx’ Umgang mit dem Werk des Aquinaten als eine theologische Methodologie, die ihre Erkenntnisse an Bruchlinien, „Fault Lines“ (19), gewinnt. Erst mit Hilfe einer solchen Wertschätzung der Diskontinuitäten konnte Schillebeeckx theologische Identität denken. Dieser Gedanke wird bei Kathleen McManus OP (Associate Professorin für Theologie an der University of Portland, Oregon) weitergeführt, wenn sie im Ausgang vom Neuen Testament vor allem aus Begegnungserfahrungen mit Jesus an der Peripherie eine Epistemologie der Marginalisierten – konkret: Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft – rekonstruiert. Diese wird bei Schillebeeckx praktisch in der Nachfolge des Nazareners, der „Sequela Jesu“ (352). An diesen Gedanken anschließend bestimmen Erik Borgman OPL (emeritierter Professor für Public Theology an der Universität Tilburg, Niederlande) und Anton Milh OP (Wiss. Mitarbeiter im Bereich Kirchengeschichte an der KU Leuven) als typisch für eine dominikanische Gestalt von Nachfolge, dass sie eine mystische Einstellung zu Gottes Gnade und die politischen Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben, miteinander verbindet (vgl. 85). In diesem Sinne zeichnet sich die Theologie des Dominikaners Schillebeeckx durch den Gedanken einer – um ein Wort von Johann Baptist Metz auszuleihen – „mystisch-politischen Doppelstruktur“ (Zeit der Orden, Freiburg/Br. 1977, 94) aus.

Den beiden Herausgebern sowie allen Autor:innen sei für ihre Arbeit an dem höchst informativen Handbuch, das viele Rezipient:innen finden möge, von Herzen gedankt!

Ulrich Engel OP, Berlin