Von dem heiligen Leben der Gertrud von Ortenberg. Nach einer Handschrift Brüssel Ms 8507–09. Eingeleitet und übersetzt von Siegfried Ringler, Grin Verlag Essen 2017, 210 S., € 29,99.

Der von S. Ringler (Essen) herausgegebene Text „Von dem heiligen Leben der Gertrud von Ortenberg“ gehört wohl zu den wichtigsten Zeugnissen deutschsprachiger Frauenliteratur im 14. Jahrhundert. Verfasst wurde die Vita schon bald nach Gertruds Tod (1335) von einer namentlich nicht genannten Schreiberin, die Gertrud noch persönlich gekannt haben muss. Die Verfasserin greift vor allem auf Berichte von Gertruds Freundin Heilke von Staufenberg zurück, die als Hauptquelle zu gelten hat. Überliefert ist die Vita einzig in einer Sammelhandschrift aus der frühen zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, geschrieben im Straßburger Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in undis (am Gießen). Von dort kam sie in die „Bibliothèque Royale de Belgique“ nach Brüssel (Ms 8507–09). Im Wesentlichen lassen sich die biographischen Aussagen des Textes zu Gertrud mit Hilfe anderer Quellen belegen. Geboren wahrscheinlich zwischen 1275 und 1285, wird sie Ende des 13. Jahrhunderts mit dem Ritter Heinrich von Rickeldey/Rückeldegen verheiratet und bekommt in kürzester Zeit vier Kinder. Nach dem Tod ihres Ehemanns wird sie Begine. Nachdem kurz darauf auch all ihre Kinder verstorben sind, tritt sie in den Dritten Orden des hl. Franziskus ein. Sie lässt sich von Franziskanern und Dominikanern geistlich beraten. Heilke von Staufenberg wird ihre vertraute Freundin. 1317/18 übersiedeln beide nach Straßburg, um dort Predigten zu hören und am anregenden religiösen Klima der Stadt teilzuhaben. Nachdem einem Stadtbrand 1327 kehren die Frauen nach Offenburg zurück. Das von Ringler vorgelegte Buch bietet neben einem spannenden Einblick in das religiöse Leben von Frauen im 14. Jahrhundert sicherlich auch Anknüpfungspunkte für die Mystikforschung (z. B. Meister Eckhart) insgesamt.

Ulrich Engel OP, Berlin – Münster