Benjamin Dahlke, Katholische Theologie in den USA. Verlag Herder Freiburg/Br. 2024, 262 S., € 39,10.

Der an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt lehrende Dogmatiker B. Dahlke hat einschlägige Erfahrungen mit der katholischen Theologie in den USA gesammelt, u. a. in seiner Eigenschaft als Gastprofessor an der „University of Notre Dame“, die er zur Abfassung dieses profunden Buches genutzt hat. Er stellt die großen Entwicklungslinien der katholischen Theologie in den USA seit 1945 vor und untersucht sie sowohl historisch als auch systematisch. Die Theologie, so seine These, „befand […] sich zunächst ganz unter europäischem Einfluss, gewann […] zunehmend Eigenstand und ein ganz unverwechselbares Profil. Dass sie zugleich amerikanisch und katholisch ist, macht die Beschäftigung mit ihr überaus interessant.“ (215).

Nach einer kurzen Positionierung der Rolle der katholischen Kirche und der Theologie in der US-amerikanischen Gesellschaft beginnt der Autor mit einer instruktiven Einführung der institutionellen Voraussetzungen katholischer Theologie vor Ort – die sich zuweilen sehr von der Praxis in Europa unterscheidet. Die Katholischen Universitäten, oftmals von Ordensgemeinschaften gegründet und (mittelbar) getragen, sind aufgrund ihres privaten Charakters hinsichtlich der kirchlichen Aufsicht recht unabhängig.

Die Tendenz zu einer spezifisch US-amerikanischen Theologie zeichnete sich im Zuge des Vaticanum II ab. Zuvor studierten begabte Wissenschaftler in Europa und brachten damit eurozentrisch geprägte Theologie mit nach Hause. Dahlke zeigt auf, dass es neben dem französischen Dominikaner Yves Congar der deutsche Jesuit Karl Rahner war, dessen Werke ins Englische übersetzt wurden, der für die Modernisierungsprozesse vor Ort mitverantwortlich war. V. a. galt er als eine Antwort auf die zunehmenden Reserven gegenüber der Neuscholastik.

Dahlke zählt eine Reihe von Protagonisten auf, die den Weg zu einer „American Catholic Theology“ bereiteten und oftmals an der „University of Notre Dame“ lehrten. Theologen wie der Ordensmann Robert Schreiter (Missionar vom Kostbaren Blut) an der „Catholic Theological Union“ (Ordenshochschule in Trägerschaft mehrerer geistlicher Gemeinschaften) oder Thomas O’Meara OP (Notre Dame) ragen besonders heraus bei dem Versuch, neue Weg zu gehen und Akzente zu setzen. Neuerdings fallen auch einige Dominikaner auf, die sich methodisch auf Thomas v. Aquin beziehen (u. a. im „Dominican Study House“ in Washington).

Es ist bezeichnend, dass in den USA theologische Aufbrüche nicht nur goutiert, sondern recht schnell skeptisch beäugt wurden. Dahlke skizziert mehrere Beispiele von Theologinnen und Theologen, die seitens der US-amerikanischen oder römischen Glaubensbehörde beobachtet, gemaßregelt und teilweise auch durch Lehrverbote akademisch vernichtet wurden. Den vielen theologischen Modernisieren standen in den USA (sowie in Rom) eine Reihe sehr konservativer Wissenschaftler:innen und Bischöfe gegenüber, die in gerade unerbittlicher Weise heterodoxe Ansichten meinten aufspüren und kaltstellen zu müssen.

Die Studie setzt sich nicht nur mit der systematischen Theologie auseinander, sondern auch mit der Bibelwissenschaft und der historischen Jesusforschung. Interessant ist dabei die theologische Innovation im ökumenischen Diskurs, aber auch die Auseinandersetzung mit Theologien, die inspiriert sind von den Immigranten, die sich in den USA niedergelassen haben, und dabei ihre eigene religiöse Tradition mitgebracht haben. So skizziert der Autor die Black Christology, die Latino Christology und Asian Theology sowie die Feminist Christology (mittlerweile erweitert durch die Debatten um LGBTQ+). In der ökumenischen Debatte sieht Dahlke noch ein gewisses Desiderat, da formulierter Anspruch und Wirklichkeit auseinanderfallen. Der Studie beigefügt ist ein ausführlicher bibliographischer Apparat, der für Interessierte hilfreich ist, die das Thema vertiefen wollen.

Ein sehr empfehlenswertes Buch, das einen wirklich breiten Überblick über die Situation der katholischen Theologie in den USA bietet, aber dennoch gründliche Recherchen präsentiert!

Thomas Eggensperger OP, Berlin