Vladimír Juhás, Kirche zwischen Ontologie und Geschichte, Verlag Tribun EU Brno 2016, 118 S.

Mit dem hier anzuzeigenden Buch legt V. Juhás, Dogmatiker an der in Košice angesiedelten Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Ružomberok (Slowakei), seine Dissertationsschrift der Öffentlichkeit vor. Eingereicht hat er sie an der Gregoriana in Rom. Juhás interessiert sich im Anschluss an die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ des Vatikanum II vor allem für die geschichtliche Gestalt der Kirche. Diese sucht er in Relation zu ihrer Ontologie zu beschreiben. Dazu unterzieht er die ekklesiologischen und eschatologischen Werke zweier wichtiger Theologen des 20. Jahrhunderts – Leonardo Boff (geb. 1938 in Concordia, Santa Catarina, Brasilien) und Hans Küng (geb. 1928 in Sursee, Kanton Luzern, Schweiz) – einer Relecture. Hinsichtlich seiner Untersuchungsmethode wählt der Verf. eine an Martin Buber anschließende „Phänomenologie des Zwischen“ (6), die seinem Buch auch den Titel gibt. Der Rückgriff auf Bubers „Dialogismus“ (13) soll helfen, vorschnellen Polarisierungen und Verabsolutierungen zu entkommen. Bei Boff (Kapitel 1) konzentriert sich Juhás vor allem auf die Sphäre zwischen Macht und Charisma. Auch wenn Juhás bei seiner Relecture des zentralen Werks „Kirche, Charisma und Macht“ (dt. 1985) dem brasilianischen Befreiungstheologen die „Anerkennung“ (56) beider Prinzipien – Charisma und Macht – bescheinigt, so kritisiert er jedoch auch, „dass Boff dem charismatischen Prinzip den Vorrang vor dem institutionellen“ (56) einräumt. Vor allem Boffs z. T. polemische Kritik der kirchlichen Amtsstrukturen deutet Juhás als ein partielles Ignorieren der geschichtlich-gebrochenen Gestalt der Kirche. Bei Küng (Kapitel 2) zielt die Dissertation auf den Raum zwischen der geschichtlich gewordenen und damit kontingenten Gestalt der Kirche und ihrem Wesen. Auch dem Schweizer Theologen bescheinigt Juhás ein letztendlich reduziertes Verständnis von Geschichtlichkeit. Diesen Vorwurf begründet er mit der bei Küng durchgehend anzutreffenden dialektischen Konfrontation zwischen defizitärer kirchlicher Praxis und dem hohen biblischen Anspruch des Reich Gottes. Insgesamt ist festzuhalten, dass Juhás eine ernsthafte Diskussion mit seinen beiden Protagonisten Boff und Küng gelingt. Keinesfalls argumentiert der Slowake an den Positionen der ekklesiologischen Entwürfe vorbei. Gleichwohl jedoch führt die phänomenologische Angehensweise dazu, dass Juhás immer wieder in Gefahr steht, die Macht- und Interessenskonflikte, die sich im real existierenden, geschichtlich bedingten Leben der Kirche auftun, vorschnell zu harmonisieren. Diese hier angedeutete Kritik tut dem Wert des Buches jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil lädt die Arbeit Juhás’ zur weiteren Diskussion ein. Genau darin zeigt sich die über den Tag hinausreichende theologische Bedeutung von „Kirche zwischen Ontologie und Geschichte“.

Ulrich Engel OP, Berlin – Münster