Wolfgang Beck / Regina Heyder / Dorothea Sattler / Thomas Söding / Agnes Wuckelt (Hrsg.), Aufbruch statt Rückzug. Die römisch-katholische Kirche in der Öffentlichkeit heute, Verlag Herder Freiburg/Br. 2022, 295 S., € 20,–.

„Wer soll das lesen und wer liest das?“, fragt die „Kirchenkabarettistin, Autorin und Dipl. Religions- und Sozialpädagogin“ Ulrike Böhmer in ihrem Beitrag zu dem Sammelband „Aufbruch statt Rückzug“. Er versammelt neben dem gleichnamigen Positionspapier des Ständigen Arbeitskreises im Sachbereich 1 des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK): Theologie, Pastoral und Ökumene aus dem Jahr 2020 in einem zweiten Teil „Diskussion: Grundlagen und Praxisfelder“ 32 höchst unterschiedliche Positionen und Reaktionen, samt einer abschließenden „Resonanz“ der Herausgeber*innen, allesamt Mitglieder im „SB 1 des ZdK“. „Aufbruch statt Rückzug“, das Positionspapier, ist ein „Mut-Mach-Buch“, eine Ermutigung zum Aufbruch, eine präzise Analyse und soziologisch wie theologisch gut ausgearbeitete Ausgangsbeschreibung zur Lage der römisch-katholischen Kirche in der deutschen Öffentlichkeit. Insgesamt erweckt der Titel „Aufbruch statt Rückzug“ den Eindruck, es sei tatsächlich eine Alternative, ob die „römisch-katholische Kirche in der Öffentlichkeit heute“ noch einen Platz hätte. Womit wir bei der Frage nach dem Ziel wären. Die römisch-katholische Kirche hat einen Platz in der Öffentlichkeit, keinen bequemen, aber sie ist öffentlich, und zur Öffentlichkeitsarbeit gehört auch und wesentlich Transparenz bei den Defiziten, Fehlern und Sünden der Kirche. „Zu Kreuze kriechen“, damit beginnt Peter Dabrock, Ethik-Professor und langjähriges Mitglied des Deutschen Ethikrats, seinen Beitrag, das „wäre der Öffentlichkeitsauftrag der römisch-katholischen Kirche“, wenn sie die „Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums zu deuten“ (202) gewillt ist. „Zu Kreuze kriechen“, das klingt streng und wer kriecht, scheint nicht aufzubrechen. Dabei führt die Formulierung auf das zentrale „Logo“ bzw. „Corporate Design“ des Christentums zurück, auf das Kreuz, dessen Verkündigung zu „Wohlwollen gegenüber uns Christen“ einerseits, aber auch „zum Hass anderer in eben dieser Welt“ (121) führt, wie es Bischof Stefan Oster biblisch begründet.

Die interessantesten Beiträge sind die, die mit einem Blick von außen, aus persönlicher Betroffenheit oder eigenem Engagement geschrieben sind, und von denen, die schon aufgebrochen sind.

Thematisiert wird auch der sexuelle Missbrauch, völlig zurecht. Schmerzlich vermisst wird im vorliegenden Sammelband dagegen die Bewegung #OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst. Denn ein größeres Geschenk wurde der römisch-katholischen Kirche und ihrer Öffentlichkeit(-sarbeit) lange nicht mehr gemacht als der Mut von Menschen, die ihre Angst überwunden und sich trotz allem zu dieser Kirche bekannt haben.

Stefan Förner, Berlin