Viliam Štefan Dóci/Thomas Prügl unter Mitarbeit von Gabriel Jordan Theis (Hrsg.), Brückenbauer und Wegbereiter: Die Dominikaner an den Grenzen der katholischen Christenheit // Building Bridges and Paving the Way: Dominicans at the Frontiers of Catholic Christianity (Dissertationes Historicae Bd. 40), Angelicum University Press Roma 2022, 264 S., € 30,–.

1986 beschrieb das in Avila zusammengekommene Generalkapitel der Dominikaner die Sendung des Ordens als eine „an die Grenzen“ und definierte als Aufgabe der Brüder, „Brückenbauer zu sein, damit diese Grenzen nicht Orte der Trennung sind, sondern Gelegenheiten zur Bildung von Gemeinschaft“ (Nr. 22) werden. Der Text des Kapitels ist doppelt zu lesen: zum einen als Rückblick auf viele innovative Grenzüberschreitungen in der Geschichte der Predigerbrüder (z.B. in höchst anregender Weise Thomas von Aquin als Vermittler zwischen Aristotelischer und moderner Tugendethik; vgl. Kathi Beier, 39–55), zum anderen als Verpflichtung in die Zukunft. In diesem Sinne konzipierten der Präsident des Historischen Instituts des Predigerordens in Rom, V. Št. Dóci OP, und der an der Universität Wien lehrende Kirchenhistoriker Th. Prügl das 4. Isnard-Wilhelm-Frank-Kolloquium (2019), aus dem der Sammelband hervorgegangen ist. Die historische Rekonstruktion soll – so der Wunsch der Herausgeber – jedem einzelnen Ordensmitglied helfen, heute und zukünftig eine angemessene „Haltung gegenüber dem bzw. den Anderen“ (11) einzunehmen und somit konfessionell-religiöse, kulturelle, philosophische oder soziale Barrieren zu überwinden.

Die zehn Beiträge des Sammelbands thematisieren in diesem Rahmen ausgewählte Aspekte der missionarischen Bemühungen im Dialog mit anderen Weltanschauungen und Traditionen. Besonders hervorgehoben sei der Artikel des an der Universität Fribourg tätigen Kirchenhistorikers Mariano Delgado über den kaum bekannten Spanier Francisco de La Cruz OP (ca. 1529–1578), der im Zuge seiner missionarischen Praxis die Inquisition in Peru einführte und am Ende als Apostat deren erstes Opfer wurde (129–148). Besonders hingewiesen sei zudem auf den Beitrag des Freiburger Systematikers Michael Quisinsky, der überzeugend aufzeigt, wie Marie-Dominique Chenu OP (1895–1990) den Begriff der „chrétienté“ im schöpfungs- und inkarnationstheologischen Zugriff aus seiner traditionellen Fixierung als Antipode einer gefallenen Welt befreit hat (183–204). Gleichwohl muss auch daran erinnert werden, dass manche Positionen der Dominikaner (ob im Rahmen von Inquisition und Hexenverfolgung oder der anti-jesuitische Widerstand gegen die Akkommodation ihrer Mission in China) eher zur Vertiefung der Gräben denn zur Verständigung beigetragen haben.

Nur summarisch können die weiteren Beiträger*innen und ihre thematischen Fokussierungen genannt werden: Andrea Colli (Bologna) beleuchtet Albertus Magnus’ Kommentar zur „Politik“ des Aristoteles (21–37); Martina Roesner (Wien) arbeitet zu Berthold von Moosburg OP (57–76); Petar Vrankić (Sarajewo) betrachtet das Verhältnis der Dominikaner zur „Bosnischen Kirche“ im 13./14. Jahrhundert (77–127); Dries Vanysacker (Leuven) befasst sich mit dem dominikanischen Erziehungs- und Bildungsengagement im 19. und 20. Jahrhundert (149–166); Juan Francisco Correa Higuera OP (Paris) untersucht einen französisch-kolumbianischen Streit um dominikanische Pfarreien in dem südamerikanischen Land (167–182); Anton Milh OP (Leuven) hebt den Beitrag des flämischen Theologen Remi Hoeckman OP (1943–2005) zum ökumenischen und jüdisch-christlichen Dialog hervor (205–228); und Jean Jacques Pérennès OP (Jerusalem) schließlich erinnert an die lange Tradition des christlich-muslimischen Gesprächs, die im 20. Jahrhundert noch einmal neu belebt werden konnte (229–241); Pérennès verweist dabei auf Antonin Jaussen OP (1871–1962), der gar von einer „Muslim tradition“ (229) im Dominikanerorden gesprocheen hatte. Letztlich geht es allen Autor*innen darum, das historische Vermächtnis in seinen gelungenen und misslungenen Aspekten als Beitrag für eine zukunftsoffene Identität des Dominikanerordens zu rekonstruieren. Ein aussagekräftiges Autor*innenverzeichnis (243f.) sowie drei vorbildlich erarbeitete Register – Handschriften- und Archivalien (245), Personen (247–257), Orte (259–264) – beschließen das höchst lesens- und weiterempfehlenswerte Buch.

Ulrich Engel OP, Berlin