Mirjam Gräve/Hendrik Johannemann/Mara Klein (Hrsg.), Katholisch und queer. Eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln, Bonifatius Verlag Paderborn 2021, 303 S., € 22,–.

Haltungen zu ändern ist schwer und zumeist ein langwieriger Prozess. Die katholische Kirche hat sich in einigen Teilen seit kurzem darangemacht, ihre queerfeindlichen Haltungen und Positionen, die nicht nur kirchlich engagierte LGBTQI+-Personen diskriminieren, zu überdenken. Alle drei Herausgeber*innen des hier angezeigten Buches gehören dem Forum „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ des Synodalen Wegs an: M. Gräve, Lehrerin sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, ist Sprecherin des „Netzwerks katholischer Lesben e.V.“, H. Johannemann ist Doktorand an der FU Berlin und engagiert sich in der Initiative „Homo Cusanus“ des Cusanuswerks, M. Klein absolviert ein Lehramtsstudium an der Universität Halle-Wittenberg. Alle drei verorten sich in der katholischen Kirche aufgrund ihres Queerseins als „nicht im System vorgesehen“ (13).

Das zwischenzeitlich bereits in 2. Aufl. verlegte Buchprojekt macht queere Menschen in der Kirche sichtbar. Im ersten Teil (19–135) stellen sich schwule Priester, lesbische Kirchenangestellte und transidente Mütter vor. Als gleichgeschlechtlich liebende, bisexuelle, sowie trans, inter, nichtbinäre und andere queere Christ*innen berichten sie von ihren Erfahrungen mit Gott und den katholischen Institutionen – Zeugnisse, die bewegen und erschüttern! Ergänzt werden die Lebensgeschichten im zweiten Teil des Buches (137–200) durch Stimmen aus dem sozialen Nahbereich: von Familienangehörigen und Seelsorgenden. Ein abschließender dritter Teil (203–288) lässt kirchliche Verantwortungsträger*innen – Bischöfe, Verbandsleitungen und Theolog*innen – zu Wort kommen. In diesem Kontext fällt z.B. das Wort „hilflos“ (205: Bischof Heinrich Timmerevers, Dresden-Meißen). Einige Autor*innen berichten von einem Wandel, den sie persönlich vollzogen haben. Trotzdem sind die herrschenden heteronormativen Strukturen im Denken (Theologie) und in der Praxis (Pastoral) der katholischen Kirche keineswegs schon überwunden. Darauf macht Jens Ehebrecht-Zumsande (Leiter des Grundlagenreferats „Leben in Beziehung“ des Erzbistums Hamburg) zu Recht aufmerksam (224–231). Um mehr Akzeptanz und Zugehörigkeit queerer Menschen in und zur Kirche zu erreichen, bedarf es gezielter Störungen des homophoben und LGBTQI+-feindlichen Kirchenalltags – z.B. durch Aktionen wie die Segensfeiern für alle bei „#liebegewinnt“ oder im gemeinschaftlichen Outing so vieler queerer Kirchenmitarbeiter*innen bei „#OutInChurch“. In einem ersten Schritt muss es politisches Ziel sein, ein Netzwerk von Save Spaces einzurichten, in denen „LGBTQI+-Personen […] ihren Glauben teilen und sich mit anderen über ihre Identität austauschen können.“ (228). Parallel dazu bedarf es der Korrektur menschenfeindlicher lehramtlicher Aussagen und die – inzwischen auf den Weg gebrachte – Änderung des diskriminierenden kirchlichen Arbeitsrechts. Schritt für Schritt, so ist zu hoffen, kann sich dann das ganze „Potenzial einen vielfaltsensiblen Kirche“ (230) entfalten.

Dem höchst verdienstvollen Buch seien viele Leser*innen gewünscht – besonders im Innenraum der katholischen Kirche!