Editorial

Das ist so eine Sache mit „netten Nachbarn“! Zuweilen ist die Beziehung zu ihnen konfliktiv, aber aufgrund der örtlichen Nähe ist man gehalten, gut miteinander auszukommen. Das kann funktionieren, aber dafür müssen beiden Seiten etwas tun. Mit dem Untertitel „Das andere Polen“ soll darauf hingewiesen sein, dass gute Nachbarschaftspflege vor allem dann gelingt, wenn man den Nachbarn nicht nur mit Klischees behaftet und betrachtet, sondern auch Interesse an seiner Diversität und Entwicklungsfähigkeit zeigt.

Das Cover-Foto dieser Ausgabe stammt aus Polen. Der Fotograf Adam Rokosz OP liefert ein konzeptuelles Bild. Inmitten einer kargen Landschaft – verstanden als aktuelle Lage des Glaubens – steht symbolisch die Kreuzigungsgruppe mitten im Feld. Ein Kreuz, welches um 90° dem einen Schächer zugewandt ist, der quasi ohne Verbote gelebt hat. Dies wird dargestellt durch das eine einschlägige Verkehrsschild, das alle Verbote auflöst. Auf der anderen Seite zu sehen ist der zweite Schächer, der sich bekehrt hat. Deshalb erkennt man nur die Stange des Schilds. Das Schild selbst wird somit überflüssig.

Die Autor:innen der Hauptartikel des Heftes stammen allesamt aus Polen und beleuchten die aktuelle kirchenpolitische, gesellschaftliche und theologische Situation ihres Landes in unterschiedlicher Weise kritisch. J. Kołtán skizziert im Stichwort die Rolle der Kirche und ihrer Vertreter in Polen, A. Krzemiński und A. Kaluza gehen auf das Wechselverhältnis von Staat und Kirche („Thron und Altar“) ein. D. Kozłowska thematisiert den schwierigen Weg der polnischen Kirche und Gesellschaft in der Genderthematik. B. Warowny beschreibt ebenfalls die kritische Situation aus einer priesterlichen Warte und er macht Vorschläge für eine zeitgemäße Erneuerung der Kirche. P. Napiwodzki stellt eine dezidiert theologische Frage, nämlich die nach einer gesellschaftsrelevanten Ekklesiologie.

Erinnernd geht das Themenheft auf Hyazinth von Polen († 1257) ein, der maßgeblich Anteil hatte an der Entfaltung des religiösen Lebens seines Landes (S. Brzozecki OP), sowie auf ein zentrales Buch des polnischen Autors Czeslaw Milosz (wiedergelesen von D. Zils OP). Ein Dank gilt Rafael M. Klose OP für die Übersetzung eines Beitrags!

Thomas Eggensperger OP / Frano Prcela OP