Deborah Nelson, Denken ohne Trost. Arbus, Arendt, Didion, McCarthy, Sontag, Weil. Aus dem amerikanischen Englisch von Birthe Mühlhoff. Mit einem Nachwort von Merve Emre, Wagenbach Verlag Berlin 2022, 237 S., € 22,–.

Die an der University of Chicago Anglistik lehrende D. Nelson erhielt für dieses Buch den Gordon J. Laing Award der University of Chicago Press. Thema ist das Frauenbild der Zeit, in der die im Untertitel genannten Personen gelebt haben. Was ihnen gemeinsam ist, ist der an sie gerichtete Vorwurf, in ihren Werken kalt und unsentimental zu erscheinen. Aber „auch der Unsentimentalismus ist eine Spielart der Sensibilität, ein besonderer Gefühlsgeschmack mit eigenen ästhetischen Praktiken, selbst wenn die Geschichte des Begriffs dies nicht nahelegt.“ (13) Immerhin war „unsentimental“ im 19. Jahrhundert noch gleichbedeutend mit „grobschlächtig“ …

Gemeinsam ist den sechs Frauen, die in dem Buch skizziert werden, dass sie das Zurschaustellen von Gefühlen auf ein Minimum reduzierten, obwohl sie sich ernsthaft und zuweilen schmerzvoll mit Elend und Leid auseinandersetzten. Dass sie den Schmerz nicht sakralisieren, ihm gegenüber aber nicht gleichgültig sind, bedeutet nicht Herzlosigkeit und Gefühlskälte, sondern „Denken ohne Trost“. So stellt die Nelson unter diesem Blickwinkel Susan Sontag und Diane Arbus vor, sowie Joan Didion und Hannah Arendts Freundin Joan McCarthy. Außerdem geht sie auf Simone Weil ein, die an die Vernunft appelliert und nicht an Mitleid oder Mitgefühl, wenn sie auffordert, sich für eine gerechtere Welt oder für eine direktere Erfahrung mit Gott zu entscheiden. Hannah Arendts Hinweis auf die Debatte zu ihrem Buch „Eichmann in Jerusalem“, dass sie zwar natürlicherweise zum Volk der Juden gehöre, sie es aber deshalb nicht „liebe“, konnte durchaus missverständlich gedeutet werden (wie auch ihr Buch zuvor schon missverständlich gedeutet wurde). Aber sie beharrte darauf: „Ich liebe in der Tat nur meine Freunde und bin zu aller anderen Liebe völlig unfähig.“ (71)

Der Autorin gelingt es – im Original trägt das Buch übrigens den Titel „Tough Enough“ – bekannte Frauengestalten unter dem Aspekt ihres Unsentimentalseins vorzustellen und der Leser:innenschaft deren „Denken ohne Trost“ nahezubringen.

Thomas Eggensperger OP, Berlin – Münster