Editorial

Das Thema „Pandemie“ scheint zu einem ewigen Thema zu werden, wenngleich jeweils unter verschiedenen Blickwinkeln. Das Virus und die Folgen – nicht zuletzt für die Gesellschaft als Gesamt – waren und sind schwer absehbar. Dabei ist es gleichgültig, auf welcher Höhe der jeweiligen Wellenbewegung von Inzidenzen man sich gerade befindet.

Dieses Heft beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit einer der Folgen, die mit dem Verhältnis von Nähe und Distanz zu tun hat. Nach jahrelangen Ängsten vor Berührung, die mit einem Mal zu einer potenziellen Gefahr für Leib und Leben wurden, setzt sich diese Nummer der Zeitschrift mit dem Thema „Neue Distanz. Gefühle zeigen“ mit den Konsequenzen des zwingend aufoktroyierten Verhaltenskodex auseinander. Dazu kommt die Reflexion auf die Folgen des Missbrauchsskandals, der ebenfalls dazu führte, im gesellschaftlichen und kirchlichen Bereich das Verhältnis von Nähe und Distanz im Umgang mit Minderjährigen oder Schutzbefohlenen neu zu überdenken.

Der neu interpretierte Begriff des „Social distancing“ wird seitens des Theologen Ulrich Engel OP aufgegriffen und der Psychologe Dieter Funke verweist in seinem Beitrag auf das Problem der – auch kirchlicherseits – praktizierten Überabgrenzung und Überkorrektheit (seiner Meinung nach destruktive Ideale) als Reaktionsmuster auf den sexuellen Missbrauch, der in den letzten Jahren als schreckliche Realität aufgedeckt wurde. Der Wirtschaftsexperte Ulrich Hemel setzt sich mit dem Thema im Rahmen des digitalen Sozialraums und in der Arbeitswelt auseinander. Sebastian Maly SJ analysiert seine Erfahrungen als Schulseelsorger und skizziert das Nähe-Distanz-Verhältnis von Jugendlichen und die Problematik der allgegenwärtigen psychischen Überforderung. Im Rekurs auf das johanneische Noli me tangere geht der Theologe und Kunstexperte Dominic White OP, aus Großbritannien) auf das Wagnis Berührung ein. Der Liturgiewissenschaftler Stephan Wahle fragt, ob es in (nach-)pandemischen Zeiten gilt, „Weiter auf Abstand“ in der kirchlichen Liturgie zu bleiben.

Laurentius Höhn OP schreibt über seinen Mitbruder im Predigerorden, Hyacinthe Cormier, der im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert mit seiner spezifischen Geisteshaltung einen Beitrag leistete zur Identitätsfindung der sich nach der Säkularisation neu formierenden Dominikanerprovinzen. Last but not least wagt Michael Baumbach MSF, selbst seit Jahren in der Ausbildung von Ordensleuten aktiv, eine Relecture des „Kleriker“-Buches von Eugen Drewermann, dass sich heute mit einem anderen Erfahrungshorizont liest als im Erscheinungsjahr 1990.

Thomas Eggensperger OP / Frano Prcela OP