Bücher

Margit Eckholt/Habib El Mallouki/Gregor Etzelmüller (Hrsg.), Religiöse Differenzen gestalten. Hermeneutische Grundlagen des christlich-muslimischen Gesprächs, Herder Verlag Freiburg/Br. 2020, 381 S., € 38,–.

Mit einem interreligiösen Gespräch – sei es auf akademischer Bühne oder in Alltagssituationen – wird häufig das Ziel verbunden, dass sich die Gesprächspartner:innen besser kennenlernen, Vorurteile abbauen und Brücken zwischen ihren unterschiedlichen religiösen Traditionen schlagen. Man ist darum bemüht, Verbindendes zu suchen, und ist oft davon überrascht, wie viel Vertrautes man in einer anderen Glaubenswelt finden kann. Diese Suche nach Gemeinsamkeiten entspringt der jahrhundertealten Erfahrung, dass Religionsgrenzen häufig zu Kampfeslinien zwischen ganzen Nationen und Bevölkerungsgruppen geworden sind. Religionsdialog ist somit Friedensarbeit; das von Hans Küng ins Leben gerufene Projekt Weltethos oder das jüngst von Papst Franziskus und Scheich Ahmad al-Tayyib unterzeichnete Dokument von Abu Dhabi geben hiervon Zeugnis.

In den letzten Jahren lässt sich jedoch der Trend beobachten, dass im Dialog der Religionen zunehmend auch die jeweiligen Besonderheiten und Unterschiede zur Sprache kommen. Dies geschieht nicht in der Absicht, alle Versöhnungs- und Verständigungsbemühungen zu torpedieren, sondern aus der Überzeugung heraus, dass zu einem echten Dialog beides gehört: Verbindendes und Trennendes. Häufig sind es gerade die – tatsächlichen oder scheinbaren – Unterschiede, die zu produktiven interreligiösen Debatten anregen, so dass mehr und mehr – um es mit einem Buchtitel von Wolfram Weiße und Hans-Martin Gutmann auszudrücken – „Religiöse Differenz als Chance“ (2010) begriffen wird.

In dieser Spur lässt sich auch der von M. Eckholt, H. El Mallouki und G. Etzelmüller herausgegebene Sammelband verorten, der auf eine im Sommersemester 2019 an der Universität Osnabrück veranstaltete Ringvorlesung zum Thema „Kon-Kurrenz. Hermeneutische Grundlagen des christlich-muslimischen Dialogs“ zurückgeht. Die Ringvorlesung wiederum war eine Frucht des 2018 in Osnabrück ins Leben gerufenen Graduiertenkollegs „Religiöse Differenzen gestalten“, in dem Wissenschaftler:innen der Institute für evangelische, islamische und katholische Theologie zusammenarbeiten (weitere Informationen unter: www.rdg.uni-osnabrueck.de). Wie die Herausgeber:innen in ihrer Einführung betonen, wollen sie mit ihrem Band zu einer produktiven Gestaltung religiöser Differenzen und der Identifizierung von Kontaktzonen beitragen. Das Überraschende dabei ist, dass sie methodisch nicht bei den Unterschieden zwischen den christlichen und muslimischen Glaubenstraditionen ansetzen, sondern zuallererst den Blick auf den intrareligiösen Pluralismus – also die Vielfalt innerhalb der je eigenen Religion – richten. „Eine sich der eigenen Pluralität bewusste Religion“, so die damit verbundene Hoffnung, „kann einen Beitrag dazu leisten, religiöse Menschen zu einem konstruktiven Umgang mit einem religiösen und weltanschaulichen Pluralismus zu befähigen.“ (10)

Es wäre wünschenswert gewesen, ist aber bei einem Sammelband von mehr als zwanzig Autor:innen auch nicht verwunderlich, dass es nicht in letzter Konsequenz umgesetzt werden konnte, wenn dieser hermeneutische Zugang – vom intrareligiösen zum interreligiösen Pluralismus – das Buch noch stärker durchzogen hätte. Nichtsdestotrotz bietet es eine Fülle von christlich-muslimischen Verhältnisbestimmungen, die auch Schwierigkeiten und Inkommensurabilitäten des Dialogs nicht ausklammern. Dass dabei zahlreiche Nachwuchswissenschaftler:innen zu Wort kommen, ist eine weitere Besonderheit des Sammelbandes. Wer sich einen Überblick über die aktuellen – vornehmlich deutschsprachigen – Debatten im christlich-muslimischen Dialog verschaffen möchte und nach hermeneutischen Zugängen aus unterschiedlichen theologischen Disziplinen und Traditionen sucht, dem sei die Lektüre dieses Buches empfohlen.

Gregor Buß, Paderborn