Editorial

Je nach Perspektive der Leserschaft im deutschsprachigen Raum ist Österreich unmittelbarer Nachbar oder eigener Lebensmittelpunkt. Österreich hat – wie jedes Land auch – eine eigene Tradition und lebt hinsichtlich Religiosität und Kirchlichkeit aus eben dieser. Sie lässt sich zumeist nicht ableiten aus der Geschichte Deutschlands (oder der Schweiz), sodass es sinnvoll ist, die Frage nach dem „Katholischen“ in Österreich zu stellen. In der Religiosität lassen sich – wenig überraschend – bestimmte Transformationsprozesse feststellen, die sich lohnen evaluiert zu werden, da sie auch außerhalb des österreichischen Umfelds von Relevanz sind.

Im Themenheft „Sich reiben am Katholischen. Beispiel Österreich“ beschreibt Joanna Jimin Lee MC aus ihrer Erfahrung als Hochschulseelsorgerin, welche Einstellungen junge Katholik*innen mitbringen. Eine soziologische Analyse wird seitens Anne Gujon, Sandra Jurasszovich und Michaela Potančoková geliefert – Szenarien auf 30 Jahre hin, was Demographie und Religion in Österreich angeht. Eine besondere Situation in der österreichischen katholischen Kirche bilden die Orden. Nach den säkularisierenden Vorgaben von Kaiser Joseph II. gingen die Orden eigene Wege, die im Blick auf ihre Genese wie auch ihre Konsequenzen für heute seitens des Erzabts Korbinian Birnbacher OSB aufgezeigt werden. Thomas G. Brogl OP, Provinzial der Süddeutsch-Österreichischen Dominikaner-Provinz, beschäftigt sich mit dem österreichischen Maler Arnulf Rainer und seiner Kunst als kontemplativem Weg. Der Leiter der Salzburger Hochschulwochen, Martin Dürnberger, skizziert die Geschichte dieser renommierten theologischen Werkwoche von ihrem Beginn an. Der Journalist Otto Friedrich stellt aus seiner Sicht das Wechselverhältnis von Katholischer Kirche und Gesellschaft in Österreich dar.

Ulrich Engel OP zeigt die Bedeutung des in Wien als Prediger wirkenden Ordensmanns Diego Hanns Goetz OP, der gleichzeitig im urbanen Kulturgeschehen präsent war, auf. Ein Zeitgenosse von ihm, der Wiener Erzbischof Franz Kardinal König, wird am Beispiel eines Textes über Wert und Bedeutung von Religion durch Gabriel Theis OP einer Relecture unterzogen.

Man mag sich reiben an der österreichischen Variante des Katholizismus, aber gerade die Auseinandersetzung mit dem Speziellen bereichert und erlaubt weiterführende Differenzierungen.

Thomas Eggensperger OP/Frano Prcela OP