Judith Gruber / Gregor Maria Hoff / Julia Knop / Benedikt Kranemann (Hrsg.), Laboratorium Weltkirche. Die Amazonien-Synode und ihre Potenziale (Quaestiones disputatae Bd. 322), Verlag Herder Freiburg/Br. 2022, 320 S., € 48,–.

„Die Amazonien-Synode, die im Jahr 2019 in Rom stattfand, und das nachsynodale Schreiben Querida Amazonia (2020) stellen für die Theologie in Europa und nicht zuletzt im deutschen Sprachraum eine Herausforderung dar.“ (9) Mit dieser im guten Sinne streitbaren These eröffnen die Herausgeber:innen J. Gruber (Leuven), G.M. Hoff (Salzburg), J. Knop und B. Kranemann (beide Erfurt) den Sammelband. Zwar handelte es sich bei dem Treffen um eine römisch-universale Bischofssynode, die allein aufgrund dieser formalen Struktur weltkirchlichen Charakter beanspruchen kann; anderseits aber thematisierte sie als „besondere“ Synode regionenspezifische Herausforderungen. Diese allerdings haben nur auf den ersten Blick nichts mit den kirchlichen und sozialen Realitäten in Deutschland zu tun. Aufgrund der ökologischen Bedeutung des Amazonasgebiets für das globale Klima wurden die bischöflichen Debatten selbstredend von weltweitem Interesse begleitet. Im Rahmen der von Papst Franziskus geforderten ganzheitlichen Ökologie geht es zugleich um die Verteidigung der unteilbaren Menschenrechte, die sich in einem verstärkten politischen Engagement „für sozio-kulturelle und ökologische Gerechtigkeit, für Rohstoff-, Klima-, Gender- und Bildungsgerechtigkeit“ ausbuchstabieren.

In einem ersten Abschnitt des Buches diskutieren neben der Co-Herausgeberin J. Knop Margit Eckholt (Osnabrück), Martin Kirschner (Eichstätt), Birgit Weiler MMS (Lima) und Christian Tauchner SVD (St. Augustin) die in Rom zu Tage getretenen ekklesiologischen Spannungen, die mehr denn je eine weltkirchlich dezentrierte Synodalität nötig machen. Im zweiten Teil verhandeln mit B. Kranemann, Gerard Rouwhorst (Tilburg), Birgit Jeggle-Merz (Luzern) und Nathan Chase (St. Louis) gleich vier Liturgiewissenschaftler:innen weltkirchliche Konsequenzen im Diskursdreieck von Liturgie, Kultur und Inkulturation. Im dritten Teil schließlich fragen neben G.M. Hoff Eneida Jacobsen (Villanova), Stefan Silber (Paderborn), Franz Gmainer-Pranzl (Salzburg), Martina Fornet-Ponse (Essen) und Thomas Fornet-Ponse (Aachen) nach Potentialen, die sich aus der Amazonien-Synode für eine Weiterentwicklung der Theologie der Befreiung ergeben (können). Theologisch besonders innovativ ist m. E. der vierte und letzte Teil des Bandes, der die Synode im Horizont postkolonialer Diskurse rezipiert und weiterdenkt. Die Beiträger:innen J. Gruber, Dietmar Müßig (Hildesheim), Regina Reinart (Aachen) und Sigrid Rettenbacher (Linz) folgen dem bereits im Vorfeld und dann auch im Verlauf der Synode in Rom laut gewordenen „Ruf nach einer Dekolonisierung der römisch-katholischen Kirche“ (253). Diese Forderung zielt nicht nur auf exkludierende kirchliche Glaubenspraxen, sondern richtet sich auch an die „theologischen Wissensformen“ (254f.) und ihre Verwobenheit in koloniale Machtdiskurse. Auf der Basis einer deshalb notwendigen epistemologischen Umkehr gilt es, im Wissen um die differenzierte Pluralität der kulturellen und sozialen Verhältnisse (vgl. 316–318) die dreifache Option für eine „topologische Ökotheologie, dekoloniale Pastoraltheologie und postkoloniale Ekklesiologie“ (256) zu treffen. Hierzu hat das Zweite Vaticanum bereits erste Weichen gestellt. Eine theologische Weiterentwicklung der konziliar wegweisenden Einsichten angesichts des menschenverursachten Klimawandels – etwa des Gedankens einer „Kirche in der Welt von heute“ (Gaudium et spes) hin zu einer „Kirche auf dem Boden der Erde“ (Christian Bauer) – ist dringlich geboten.

Ulrich Engel OP, Berlin