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Elke Büdenbender / Eckhard Nagel, Der Tod ist mir nicht unvertraut. Ein Gespräch über das Leben und das Sterben, Ullstein Buchverlage Berlin 2022, 224 S., € 24,–.

Es mag selten genug sein, dass ein Leser oder eine Leserin ein Buch mit sperrigem Titel in die Hand nimmt und es in einem „Rutsch“ von der ersten bis zur letzten Seite durchliest. Mit dem Buch der Gattin des Bundespräsidenten, E. Büdenbender, und ihrem guten Freund aus alten Tagen, E. Nagel, Mediziner und Philosoph, könnte dies vielen Menschen gelingen, und völlig zu Recht. Dem großen, sicher in Zeiten von Corona und Ukrainekrieg nicht mehr zu tabuisierendem Thema „Tod“ ein intensives, lehrreiches und auch sehr persönliches Gespräch als Buchform zu widmen, bleibt ein kühnes Unterfangen, wagt man sich doch trotz der Bedeutung für jeden Menschen an ein delikates Thema, welches sehr behutsam geradezu nach der Intimität eines diskreten Ortes ruft, wenn es um die ureigensten Ängste und Gefühle beim Existential Tod geht. Aber die beiden sich Unterhaltenden, die eine als Juristin, der andere als Mediziner mit dem Umstand des Todes auch professionell vertraut, schaffen mit Bravour den Balanceakt, neben einer Vertrautheit und sehr persönlich berührenden Sphäre auch Wissen und Information zu vermitteln, die dem Lesenden einen trittfesten Gang durch die verschiedenen Assoziationsfelder des Todes ermöglicht. Das erste Kapitel mit dem Titel „Wir müssen über das Sterben reden“ (11–42) ist ein sehr persönlich gehaltener Auftakt mit existenziellen Erfahrungen der beiden Redenden, die durch biografische Ereignisse dem Lesenden gut ermöglichen, Grenzerfahrungen wie den Tod eines eigenen Kindes, das zu erwartende Sterben einer Großmutter oder den ersten Anblick eines toten Menschen als Geschehnisse zu vermitteln, die in der einen oder anderen Form jeder Lesende kennt. An diesen emotional nicht in zu große Sentimentalität abgleitenden Auftakt der Unterredung schließen sich vier gut kategorisierte Blöcke an, die geradezu alle Spektralfarben des sperrigen Themas aufleuchten lassen. Der Bestandsaufnahme (43–115), wie denn heute Sterben und Tod, gerade auch in der verstörenden pandemischen Zeit, erfahren wird, folgt ein Kapitel (117–158), welches sicherlich den größten Anteil an theoretischem Vokabular aus Medizin, Recht und Ethik enthält, aber dennoch, nicht zuletzt durch den markanten Titel „Ich will mein Sterben nicht erleben“, eine erstaunliche Nähe zu Leser und Leserin und große Verständlichkeit behält. Der zweite Teil des Buches mit den Kapiteln IV-VI bringt den Diskurs zur Bedeutung des Rituellen (159–175) und Religiösen (177–204), durchaus auch mit dem Zeugnis persönlicher Konfessionalität der beiden Schreibenden, sehr nuanciert und mit großem Respekt vor unterschiedlichsten Auffassungen zu Papier. Das Buch schließt in feiner Apologetik mit einem Plädoyer für eine andauernde Thematisierung des Todes ab. „Es gilt, den Tod als Teil des Lebens zu begreifen“ (205–217), rundet gelungen ab, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Es kann auf Dauer nicht tabuisiert werden, was uns alle früher oder später, indirekt oder direkt, betreffen wird. Abschließende Literaturhinweise ermöglichen eine Vertiefung des Themas, welches durch dieses Buch eine äußerst gelungene Lesart bekommen hat.

Laurentius Höhn OP, Worms