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Isnard W. Frank, Charisma in Verfassung. Dominikus und der Predigerorden, hrsg. und eingeleitet von Klaus-Bernward Springer. Mit einem Geleitwort von Thomas Gabriel Brogl OP (Dominikanische Quellen und Zeugnisse Bd. 22), Benno Verlag Leipzig 2021, 176 S., € 14,95.
Isnard W. Frank, Verstädtertes Mönchtum. Zur Sozialgestalt des Dominikanerordens, hrsg. von Klaus-Bernward Springer. Mit einem Geleitwort von Viliam Štefan Dóci OP (Dominikanische Quellen und Zeugnisse Bd. 23), Benno Verlag Leipzig 2021, 198 S., € 14,95.

Der 2010 im Alter von 80 Jahren verstorbene I.W.Frank OP war einer der profiliertesten Kenner der mittelalterlichen Ordensgeschichte. Knapp drei Jahrzehnte lehrte er Kirchengeschichte in Wien, Walberberg und Mainz. Er war Mitbegründer und Leiter des „Instituts zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum“ und Initiator der Reihe „Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens“. Sein Œuvre umfasst zahlreiche wissenschaftliche Monographien und Aufsätze. Daneben hat er, in bester Manier des Predigerordens, mehr als 60 kleinere „wissenschaftsvermittelnde“ Beiträge verfasst, die für ein allgemeineres Publikum bestimmt und mehrheitlich in „Wort und Antwort“ erschienen sind. Eine Auswahl dieser Beiträge zu dominikanischen Themen ist, pünktlich zum 800. Todestag des Hl. Dominikus, zweibändig in der Reihe „Dominikanische Quellen und Zeugnisse“ (DQZ) erschienen.

Der erste Band „Charisma in Verfassung“ kontextualisiert den Gründungsimpetus und die Frühphase des Predigerordens in den Auf- und Umbrüchen der Renaissance des 12. Jahrhunderts, die wesentlich durch das Neuerstehen der Stadtkultur geprägt waren und bestehende soziale, politische, ökonomische und auch religiöse Gegebenheiten, Strukturen und Praktiken in Frage stellten. Die Entstehung des Dominikanerordens reihte sich ein in eine größere Reformbewegung „von unten“ mit ihrem Bestreben nach einem evangeliumsgemäßen Leben und Christusnachfolge in Armut, Fasten und Gebet. Wie die anderen Mendikantenorden, aber in ihrem Armutsverständnis eher funktional als absolut, lehnten auch die Dominikaner Einkünfte aus Grundbesitz ab. Die Ortsungebundenheit und der Verzicht auf das „klösterliche Zubehör“ machte sie mobil und flexibel für seelsorgliche Tätigkeiten. Sie passten sich damit in die neue Stadtkultur ein, die das Modell der Bettelorden erst ermöglicht hatte und dann immens vom pastoralen Angebot der Mendikanten und ihrem wissenschaftlichen, ökonomischen und kulturellem Beitrag profitierte. Drei weitere Beiträge widmen sich der Biographie des Dominikus und den Schritten hin zur Ordensgründung, der gesellschaftlichen und kirchlichen Verwurzelung des Ordens am Beispiel des Konvents Saint-Jacques in Paris und der „demokratischen“ Verfassung des Ordens, die, wie das Themenheft 1/2021 von „Wort und Antwort“ betont hat, gleichzeitig urdominikanisch und brandaktuell ist.

Im zweiten Band „Verstädtertes Mönchtum“ geht es zunächst um einen makroperspektivischen Überblick über die Entwicklung des Ordenslebens, die Frank in ein monastisches Normendreieck von Selbsterfüllung in Treue zur Berufung, der Entäußerung in der Gemeinschaft und dem Dienst am Nächsten einordnet. Gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen brachten über die Jahrhunderte eine Vielfalt von Reformbewegungen und neuen Männer- und Frauenorden hervor. „Wenn [die] Aufgabe – stärker in der Welt und zugleich losgelöst von ihr – trotz aller entstandenen Vielfalt des Ordenslebens bisher nie zur Deckung gebracht werden konnte, so ist das kein Vorwurf gegen die Orden. Denn dieser Versuch ist immer als Aufgabe vorgegeben“ (43). Vier Aufsätze beschäftigen sich dann dezidiert mit der Präsenz der Dominikaner in der mittelalterlichen Stadt: dem komplementierenden, aber auch konkurrierenden Nebeneinander von Pfarrei und den „paraparochialen Kultzentren“ der Bettelorden, dem Einpassen von Frömmigkeit und Architektur in die Stadtkultur bis hin zur Rolle der Mendikanten im aufkommenden System der Geldwirtschaft. Ein eigenes Kapitel ist der Gründung der „Dominikanerinnen“ im 13. Jahrhundert gewidmet, die jenseits der vier von Dominikus selbst gegründeten Frauenklöster um ihre Eingliederung in den Predigerorden ringen mussten. Bevor der Band mit einem Beitrag zur Pluriformität des Ordensleben schließt, der zusammen mit dem ersten Aufsatz eine thematische Klammer bildet, ist noch das dunkelste Kapitel des Ordens angesprochen: die Rolle der Dominikaner in der Inquisition und der berüchtigte Inquisitor Bernard Gui.

Wissenschaftliche Erkenntnis allgemeinverständlich zu vermitteln, ist nicht jedem Akademiker gegeben. I.W. Frank hatte diese Gabe. Einige seiner verstreuten Beiträge in den beiden vorliegenden Bänden kompakt zugänglich zu machen, ist ein großes Verdienst des Herausgebers K.-B. Springer, der diese Auswahl um eine sorgfältige Einleitung und ein Verzeichnis – leider nur – der wissenschaftsvermittelnden Werke ergänzt hat. Eine Gesamtbibliographie Franks wäre hilfreich, nicht zuletzt als Hinweis auf weiterführende Literatur. Die 17 zwischen 1967 und 1999 erschienenen Aufsätze sind natürlich nicht mehr auf dem neuesten Forschungsstand; bisweilen spiegeln sie den Zeitgeist, etwa wenn Frank die Bettelorden vom „Klassenkampf“ oder „sozialistischem Wohlfahrtsstaat“ abgrenzt (Bd. 22, 101, 113). All dies nimmt ihnen aber keinesfalls ihre Relevanz. Vielmehr bieten sie eine gute und fundierte Einführung in die Gründunggeschichte des Ordens und, wie Springer schreibt, wollen eine „Vorwärtserinnerung“ sein, die das innovative Potential und die Kernintentionen des Dominikanerordens vorstellt, damit diese in die heutige Zeit übersetzt werden können. Den beiden DQZ-Bänden ist eine breite Leser*innenschaft zu wünschen, nicht zuletzt unter den Mitgliedern der Dominikanischen Familie.

Sabine Schratz OP, Dublin (Irland)