Cynthia Fleury, Hier liegt Bitterkeit begraben. Über Ressentiments und ihre Heilung (aus dem Französischen von Andrea Hemminger), Suhrkamp Verlag Berlin 2023, 314 S., € 28,–.

Die Philosophin und Psychoanalytikerin C. Fleury legt hier ein äußerst anregendes Buch zum Thema „Ressentiments“ vor. „Die Bekämpfung des Ressentiments lehrt die Notwendigkeit der Toleranz gegenüber Ungewissheit und Ungerechtigkeit. Am Ende dieser Auseinandersetzung steht das Prinzip Selbsterweiterung“ (9). Mit diesen programmatischen Worten beginnt die Autorin ihre Studie und setzt sich zunächst mit dem Phänomen der menschlichen Bitterkeit auseinander, denn sie ist der Anfang dessen, was am Ende zum Ressentiment führt. Ihre Referenzautoren dafür sind Max Scheler und Friedrich Nietzsche. Dabei zeigt sich, dass das Ressentiment nicht nur dazu dient, die Erinnerung an das, was verletzt hat, aufrechtzuerhalten, sondern es erlaubt auch den Genuss dieser Erinnerung, quasi als ein Lebendig-Erhalten der Idee der Bestrafung. Das Ressentiment hat eine starke Fähigkeit zur Selbsterhaltung und schlägt in Ermangelung eines wirklichen Gegenstands in Denunziation und Desinformation um, ist es doch letztlich ein „psychischer Trick“ (38), der darin besteht zu glauben, dass der Fehler immer bei den anderen liegt, aber nie bei einem selbst. Die Verf.’in hält es für unabdingbar, Ressentiments (psycho-)analytisch zu bekämpfen.

In den folgenden Kapiteln des Buches setzt sie sich mit weiteren Bezugspersonen auseinander, so beispielsweise ausführlich mit Th.W. Adorno und seiner Interpretation des Faschismus und den Kriterien einer Ressentiment-behafteten Persönlichkeit. Zudem bezieht sie sich auf Wilhelm Reichs faszinierende Studie „Massenpsychologie des Faschismus“ (1993), für den das „Unpolitischsein“ keineswegs ein passiver psychischer Zustand, sondern in Abwehr des sozialen Verantwortungsbewusstseins ein höchst aktives Verhalten darstellt.

Ressentiment – nicht nur als negative Eigenschaft verstanden – ist nach Fleury ein „ekelhaftes Bollwerk gegen die eigene Depression“, denn der Mensch des Ressentiments „ist deprimiert, entmutigt, aber diese Depression nährt sich von der Rache an anderen (...).“ (286)

Auf der Suche nach einem Gegenmittel gegen das Ressentiment stützt sich die Verf.’in u.a. auf Frantz Fanon, einem Psychiater und Denker des Postkolonialismus, der unermüdlich den sozialen und psychischen Entwicklungen des Kolonialismus nachgegangen ist, die das verdinglichte Subjekt in den Wahnsinn treiben und es zur Geisel seines eigenen Leidens machen. Viele Themen werden angeschnitten – interessant das Kapitel über den „Angriff auf die Sprache“, in dem sie auf den „obszönen Gebrauch der Sprache“ (266) und das permanente „Auskotzen in sozialen Netzwerken“ (267) eingeht. Ressentiment artikuliert sich im Diffamieren, das nicht die Wahrheit formulieren will, sondern trüben will, was als zu glanzvoll empfunden wird.

Ein spannendes Buch, dessen Lektüre dem Rezensenten viel Anlass zur (Selbst-)Reflexion geliefert hat und liefern wird!

Thomas Eggensperger OP, Berlin