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Stephan Tautz, Radikale Sakramentalität. William T. Cavanaughs politische Theologie der Eucharistie im Gespräch mit radikaldemokratischer Theorie der Macht (Religion – Geschichte – Gesellschaft. Fundamentaltheologische Studien Bd. 56), Lit Verlag Berlin 2022, 502 S., € 49,90.

Die an der Universität Freiburg/Br. eingereichte Doktorarbeit von St. Tautz (heute LMU München) diskutiert William T. Cavanaughs politische Theologie der Eucharistie im Horizont radikaldemokratischer Theorien. Er untersucht das Konzept der Souveränität, wobei Claude Leforts Symbol des leeren Orts der Macht zentral ist: Souveränität als unverfügbares Entzugsmoment, als leerer Raum, der offenzuhalten ist (33). Ein demokratischer nomos darf niemals abgeschlossen sein, weil er sonst totalitär würde. Denn regierte der nomos den demos, wäre keine „Demo-Kratie“, d.h. wäre keine Herrschaft (kratos) des Volkes (demos). Insofern muss Demokratie sich performativ immer wieder hervorbringen, wobei diese sich ergebende Leerstelle der Macht die Souveränität des Volkes erst ermöglicht. Jede souveräne Herrschaft muss ihre Wurzeln (radix) im Volk haben, ist also erst demokratisch, wenn sie radikal ist.

Der Beitrag von Tautz ist eine radikaldemokratische Relektüre des Sakramentsverständnis (17). Nach einer systematischen Orientierung über Politik und Religion (53–200) stellt Tautz Cavanaughs politische Theologie der Eucharistie dar (201–336). Dieser denkt Kirche als political space, als Gemeinschaft, die aus der transformativen Kraft der Eucharistie lebt. Da aber auch eine sakramentale Politik der Gefahr des Machtmissbrauchs unterliegt, fragt Tautz, ob nicht ein radikaldemokratisches Sakramentsverständnis neue Ansätze bieten würde (336). Dafür entwickelt er eine politische Theologie radikaler Sakramentalität (337–433). Grundlegend ist das Konzept der Kenosis: „Gott offenbart sich als Gott im Menschen. Der Mensch Jesu ist Medium und Botschaft zugleich; er ist Sakrament.“ (371) Auch in Gott gibt es eine Leerstelle der Macht, weil Gott seine Macht als Liebe ausübt: Gott wird Mensch. Eine Kirche, die sich radikal-sakramental durch die Eucharistie immer neu als Gemeinschaft formiert, zeigt ein alternatives Amtsverständnis, „in dessen Zentrum der performative Vollzugscharakter von Amt und Amtshandlung stehen.“ (397) Nur Christus ist souverän, während kirchliche Hierarchie auf ihn ausgerichtet bleibt und ihn durch sich wirken lässt.

Die Dissertation von Tautz bietet viele Ansätze, die aufgenommen werden sollten, um heutige politische Fragen zu diskutieren. Ein Impuls zum weiteren Gespräch sei mitgegeben: Warum kommt Maria nicht vor, die sich so gut angeboten hätte, die Thesen von Tautz zu untermauern, weil sie die Sinnspitze dessen ist, dass Gott nicht am Menschen vorbei handelt? (409) Denn gerade an der Gottesmutter zeigt sich, was Radikale Sakramentalität letztlich bedeutet: Gott ist Mensch geworden.

Dario Colombo, Fribourg/Schweiz