Gender – mehr als binär | Transidente Horizonte (2/2025)

Editorial

Bergmann, Christoph J. | Engel, Ulrich

Gender: seit Jahren und über Kontinente hinweg befeuert ein Fachbegriff aus den Sozial- und Kulturwissenschaften ideologische Debatten. Auf politischer Seite kämpfen zumeist rechte Gruppierungen verbissen gegen alle Formen von zumeist linker Wokeness. Auch in vielen Kirchen – allen voran der katholischen – wird oftmals ein sog. „Genderismus“ verteufelt. Das vorliegende „Wort und Antwort“-Heft möchte in dieser emotional aufgeheizten Gemengelage aufklären, differenzieren und Position beziehen.

Stichwort

Gender Trouble in der Kirche?

Schepers, Ludger

Die Vokabel Gender provoziert. In rechten politischen Gruppierungen und Netzwerken, aber auch in manchen katholischen Kreisen ruft sie schroffe Ablehnung hervor.

„Männlich und weiblich erschuf er sie“ (Gen 1,27; 5,2)

Hieke, Thomas

„Hinsichtlich der gendersensiblen Schreibweise gebrauche ich das übliche generische Maskulinum, so dass die maskuline Form auch das feminine Geschlecht umfasst.“ Dieser Satz steht im Vorwort eines 2024 erschienenen Methodenbuchs zur Exegese. Das so genannte „generische Maskulinum“ ist jedoch nicht geeignet, andere Geschlechter einzubeziehen. Eine „gendersensible“ Sprache und auch eine solche Exegese muss anders ansetzen. Da es mir nicht um einzelne Zielgruppen geht, schlage ich vor, von queer-integrierender Bibelauslegung zu sprechen. Ziel ist es, Menschen nicht aufgrund ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität implizit, z. B. durch heteronormativ geprägte Formulierungen, auszuschließen. Nach einigen Begriffsklärungen folgen zwei Beispieltexte und ihre exegetische Erschließung.

Was ist eine „Geschlechtergeschichte Christi“?

Schubert, Anselm

Ungewöhnliche Vorstellungen von einem weiblichen oder einem androgynen Christus begegnen in der Geschichte des Christentums von Anfang an:1 Das reicht vom weiblichen Christus der mittelalterlichen Mystik und des modernen Feminismus, über die „vive sante“ der Renaissance bis zu den androgynen Christusvorstellungen eines Maximus Confessor und Jakob Böhme.

Zur biologischen Geschlechtsentwicklung

Voß, Heinz-Jürgen

In der Biologie, wie auch sonst in der Gesellschaft, löst man sich von stereotypen Vorstellungen über Geschlecht. Heute orientiert man sich in der Biologie darauf, die einzelnen Faktoren, die bei der Ausbildung des Genitaltrakts Bedeutung haben (bzw. haben können), in ihrer Wechselwirkung mit anderen Faktoren und eingebunden in komplexe Entwicklungsprozesse zu betrachten. Damit kommt man weg von „großen Erklärungen“, die sich an gesellschaftlichen Geschlechterstereotypen orientierten, und landet bei differenzierten Beschreibungen physischer und physiologischer Bestandteile des Genitaltrakts. In diesem Beitrag wird ein Zugang zu biologischen Betrachtungen gelegt.

Geschlecht in Recht und Arbeitsmarkt

Böning, Anja

Recht schafft und normalisiert gesellschaftliche Strukturen. Indem es Positionen, Privilegien und Ressourcen zuweist, errichtet es Macht- und Exklusionsverhältnisse, in die Menschen in ihrer Vielfalt, mit ihren Biographien und Lebensentwürfen eingebunden sind und unterschiedlichen Zugang zu gesellschaftlichen Gütern (Verteilungsungerechtigkeit) und zu Bildung, beruflichem Aufstieg und Vermögen (Chancenungleichheit) haben. Recht kann aber auch instrumentell Einsatz finden, um Freiheit, Emanzipation, Ermächtigung und die Durchbrechung von Herrschaft und Marginalisierung zu erwirken.

Queersensible Pastoral im Bistum Mainz

Berger, Matthias

Mitte November 2024 sitze ich mit meiner Kollegin, Pastoralreferentin Christine Schardt, im Zug von Dresden nach Mainz. Vor einer Stunde ist die Bundeskonferenz der Beauftragten für Queersensible Pastoral zu Ende gegangen. Inzwischen gibt es Beauftragte wie uns beide in 22 der 27 deutschen (Erz-)Diözesen. Zusammen mit den Vertreter*innen der queeren katholischen Bundesverbände1 beraten wir dort gemeinsame Strategien. Wir entwickeln Grundsatztexte zur Queerpastoral, einigen uns auf Pastorale Standards und tauschen uns intensiv aus über die Entwicklungen in unseren Diözesen.

Dominikanische Gestalt

Gonzalo von Amarante OP (ca. 1187–1259)

Weibrecht, Uwe

In der Arbeitsübersetzung des Martyrologium Romanum der deutschen Bischofskonferenz wird Gonzalo von Amarante (Gundisalvus de Amarante), ein Seliger, der im 13. Jahrhunderts gelebt hat, als Gundisálvus von Braga bezeichnet, der am 10. Januar seinen Gedenktag hat. Nach einer langen Pilgerschaft ins Heilige Land trat er in den Predigerorden ein, zog sich dann in die Einsamkeit zurück, sorgte für die Errichtung einer Brücke und diente den Anwohnern durch Gebet und Predigt. Im Jahr 1561 wurde Gundisalvus durch Pius IV. seliggesprochen, doch viele Katholiken in Lateinamerika und Portugal verehren ihn als „Heiligen“. Soweit das offizielle Skript zu seinem Leben.

Wiedergelesen

Judith Butler „Gender Trouble“ (1990)

Engel, Ulrich

Es war 2017 auf dem Flughafen São Paulo: Judith Butler (* 1956) und ihre Partnerin wurden von einer rechtsextremen Gruppe handgreiflich angegangen. Der Vorwurf: die im kalifornischen Berkeley lehrende Philosophin verbreite die Gender-Ideologie. In ihrem jüngst erschienenen Buch „Who’s Afraid of Gender?“ erinnert sich Butler an das Ereignis: „Mein erster Dank geht an den jungen Mann mit dem Rucksack, der sich zwischen uns und einen Angreifer warf und der die Prügel abbekam, die mir galten. Ich wünschte, ich würde seinen Namen kennen.“