Mimesis und Nachfolge | Zwei Glaubenspraktiken (4/2024)
Engel, Ulrich
„W. W. J. D.“ – vier Versalien, die nicht mehr bloß in den USA, sondern zunehmend auch hierzulande auftauchen: auf Armbändchen und Beanies, T-Shirts und Autoaufklebern. „W. W. J. D.“ steht dabei für „What would Jesus do?“ „Was würde Jesus tun?“ Die Frage soll die oftmals charismatischen und/oder freikirchlich organisierten Träger:innen des Slogans daran erinnern, sich in einer konkreten Situation explizit zu vergegenwärtigen, wie Jesus in eben dieser Situation agieren würde. Damit führt die Coverabbildung der vorliegenden WORT UND ANTWORT-Ausgabe direkt in das Feld christlicher Glaubenspraxis.
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Stichwort
Filipović, Ana Thea
Themen wie Jüngerschaft und Nachfolge Christi wie auch Sendung und Zeugnisgeben sind in den letzten Jahren in Kirche und Theologie wieder aktuell geworden. Der Begriff der Nachfolge Christi (lat. sequela Christi), der das christliche Leben wie auch das Ordensleben wesentlich bestimmt (vgl. PC 1; 2; 13), ist in der biblischen Tradition tief verwurzelt.
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Bormann, Lukas
Die jesuanische Forderung der Nachfolge hat tiefe Spuren im christlichen Selbstverständnis hinterlassen. Sie gilt als die unbedingte Forderung, die in der Begegnung mit Jesus kein Zögern und kein Fragen zulässt. Wenn der vollmächtige Verkünder des Reiches Gottes in die Nachfolge ruft, dann ist der Mensch in seinem ganzen Sein, das durch die Schöpfung und die Geschichte Gottes mit seinem Volk Israel bestimmt ist, erfasst. Diese Unbedingtheit des Nachfolgerufs ist in Mk 2,14 besonders deutlich zum Ausdruck gebracht: „Er sagte zu ihm: ‚Folge mir nach!‘ Und er stand auf und folgte ihm nach.“ Dietrich Bonhoeffer hat die Interpretation dieses Verses an den Anfang seines berühmten Buches zur Nachfolge aus dem Jahr 1937 gestellt: „Die unbedingte, unvermittelte und unbegründbare Autorität Jesu wird in dieser Begegnung bezeugt.“1 In dieser Unbedingtheit liegt aber auch die Problematik des herkömmlichen Verständnisses von Nachfolge: Es lässt nur wenig Raum für das handelnde Subjekt und seine selbstreflexive Autonomie.
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Lis, Marek
Die Aufforderung „Folge mir nach“, die Jesus an die Auserwählten richtet, kommt in den Evangelien mehrfach vor: So ruft er Petrus und Andreas, die Fischer (Mt 4,18; Mk 1,17), Johannes und Jakobus (Mt 4,21), Philippus (Joh 1,43) und Matthäus. Über die anderen Jünger, die sich den Zwölfen anschlossen, schweigen sich die Evangelisten aus, außer vielleicht über Nathanael, der von den Worten Jesu über den Feigenbaum überrascht und überzeugt war (Joh 1,48–49). In den Evangelien wird auch ein anonymer Jünger erwähnt (Mt 8,25; Lk 9,53), der der Aufforderung „Folge mir nach“ nicht gefolgt zu sein scheint.
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Kreidler-Kos, Martina
Man sollte meinen, als Frau des beginnenden 13. Jahrhunderts wäre Klara von Assisi gut darin gewesen, sich anzupassen. Ohne Akzeptanz enger Vorgaben durch Familie, Gesellschaft und Kirche konnte weibliches Leben in dieser Zeit kaum gelingen. Aus heutiger Perspektive nimmt es deshalb Wunder, wie sich die junge Adelige Chiara di Offreduccio überhaupt einen eigenen Lebensentwurf vorstellen und sich darüber hinaus auch noch für einen solchen engagieren konnten. Dass dieser Lebensentwurf außerdem multiple Grenzen überschreiten, Konflikte mit höchsten Autoritäten riskieren und Neues nicht nur erproben, sondern sogar dokumentieren sollte, nötigt vielen Menschen bis in unsere Gegenwart hinein Respekt ab. Und ermutigt nicht wenige zum kritischen Ausloten auch und gerade von der Kirche gesetzten Grenzen.
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Mohamad, Ahmad Yahya
Igtihad, Nachahmung (Taqlid) und Nachfolgen (Ittiba) stellen wesentliche Konzepte im islamischen Recht dar. Gegenstand dieses Beitrags ist eine vertiefende Betrachtung dieser Konzepte. Darüber hinaus erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Spannungsverhältnis zwischen Taqlid und individueller Freiheit sowie mit dem Potenzial für Extremismus durch blinde Nachahmung.
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Backhaus, Hermann
In meiner Arbeitsstelle im „Centro – Psychologische Begleitung für Menschen im Dienst der Kirche“, in der ich seit 2011 mitarbeite, kamen in den ersten Jahren immer wieder Menschen, die z. T. unterschiedliche Symptomatiken aufwiesen. Diese Symptomatik reichte von depressiven Erkrankungen über Schilddrüsenproblematiken bis hin zu Panikattacken und Angststörungen.
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Dominikanische Gestalt
Engel, Ulrich
In einem 1977 publizierten Aufsatz zu den Evangelischen Räten widerspricht Karl Derksen mit Nachdruck der Auffassung, dass Jesus-Nachfolge primär eine Frage der Innerlichkeit oder allein des individuellen moralischen Handelns sei. Vielmehr eigne ihr immer ein gesellschaftskritischer Impetus.1 Eine solche politische Praxis des „Jezus navolgen“ (D/E, 499) eröffne, so Derksens These, eine neue Perspektive auf die von den evangelischen Räten abgeleiteten Ordensgelübde der Armut („Armoede“, D/E, 499), der Ehelosigkeit („Ongehuwd-zijn“, D/E, 500) und des Gehorsams („Gehoorzaamheid“, D/E, 500). Denn die biblisch-jesuanische „perspectief“ (D/E, 497) unterscheide sich grundlegend von festgelegten moralischen Regeln, normativen Sätzen oder starren Prinzipien.
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Wiedergelesen
Wieshuber, Lucas L.
„Am letzten Tag des Januars 1915, im Zeichen des Wassermanns, in einem Weltkriegsjahre, und im Schatten französischer Berge nahe der spanischen Grenze, kam ich zur Welt. Frei von Natur, ein Ebenbild Gottes, war ich doch der Gefangene meiner eigenen Heftigkeit und Selbstsucht, nach dem Bild der Welt, in der ich geboren wurde. Diese Welt war ein Abbild der Hölle, voller Menschen wie ich, die Gott liebten und ihn doch haßten; geschaffen, ihn zu lieben, lebten sie stattdessen in Angst, hoffnungslosen Widersprüchen und Begierden. Nur wenige hundert Meilen vom Hause entfernt, worin ich geboren wurde, trug man Menschenleichen zusammen, die in regennassen Gräben zwischen toten Pferden und zertrümmerten Geschützen, in einem Wald von astlosen Bäumen, längs der Marne, verfaulten.“
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