Die Welt geht unter | Wer kommt mit? (3/2021)

Editorial

Engel,Ulrich

„Die besten Postapokalypse-Spiele, die du vor der Apokalypse spielen solltest“, stellte Jonas Wekenborg, Experte für Software und Games, Anfang 2019 auf dem Tech-Portal „Giga“ vor. Angesichts der Tatsache, dass die Post-Apokalypse seit Jahren bereits ein populäres Setting für zahlreiche Videospiele darstellt, fragt Wekenborg, ob dies bedeute, „dass sich zahlreiche Spieler insgeheim wünschen, dass endlich alles vorbei ist“ (www.giga.de, Abruf: 12.07.2021).

Stichwort

Apokalypse

Kügler, Joachim | Nyahuma, Blessing

Der Begriff Apokalypse kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Enthüllung“. Meist werden damit Texte bezeichnet, die davon erzählen, wie einem Visionär oder Propheten eine himmlische Wahrheit enthüllt wird. Diese Enthüllung ist notwendig, damit die Adressaten verstehen, was der Sinn der menschlichen Geschichte ist. Dahinter steckt ein negatives Lebensgefühl, das man Apokalyptik nennt. Dieses Weltbild sieht die Gegenwart als heillos durcheinandergeraten. Die gesamte Weltordnung steht Kopf, alles widerspricht der göttlichen Ordnung, überall herrschen Sünde und Chaos. Um in der heillos verworrenen Lage nicht zu verzweifeln und den Glauben an Gott nicht zu verlieren, ist es notwendig, den Sinn des ganzen Schlamassels zu verstehen. Warum lässt Gott das zu? Was hat er vor? Um diese Fragen zu beantworten, lassen Apokalypsen in den Himmel blicken und Auskunft erhalten über das, was vorgeht und wozu es geschieht.

Stütze und Störenfried

Gradl, Hans-Georg

Apokalyptisches Denken entstammt der Krise und entfaltet ihr besonderes Wirkungspotential in der Krise. Dies lässt sich bereits religionsgeschichtlich für die ältesten Spuren apokalyptischen Denkens in den altorientalischen Kulturen, aber auch für die apokalyptischen Elemente der alttestamentlichen Überlieferung nachweisen. Das Buch Daniel etwa entstammt einer tiefgreifenden Krise Israels unter Antiochus IV. Epiphanes. Den Nährboden apokalyptischen Denkens bilden die rigide Religionspolitik des Herrschers und die hellenistische Überfremdung des Volkes. Zugleich besitzt die apokalyptische Wirklichkeitswahrnehmung ein entscheidendes Widerstands- und Hoffnungspotential in der Krise: Die Erwartung eines göttlichen Eingriffs stärkt die Identität der Trägerkreise, hält die Resistance am Leben und wehrt der Verzweiflung. Die Apokalyptik erwächst der Krise und ist zugleich ein zentrales Medium ihrer Verarbeitung und Überwindung.

Joachim von Fiore und sein Chiliasmus

Lehmann, Leonhard

Über Joachim von Fiore als Person ist wenig Sicheres bekannt, so auch nicht sein Geburtsdatum. Benannt wird er nach dem von ihm gegründeten Kloster S. Giovanni in Fiore in Kalabrien. Er war der Sohn eines Notars aus Celico bei Cosenza, wo er um 1135 geboren wurde. Um 1177 wurde er Abt des Zisterzienserklosters in Corazzo, von dem er sich 1188 mit Erlaubnis des Papstes Clemens III. trennte, um in den Bergen Kalabriens nach seiner strengeren Auslegung der Regel des hl. Benedikt zu leben. Er fand Anhänger, mit denen er 1189 das Kloster in Fiore gründete, von dem einige Tochterklöster in Italien ausgingen. Als gelehrter Abt stand er mit Kaiser Heinrich III. in Beziehung sowie mit den Päpsten seiner Zeit, die seine Reform anerkannten. Als er am 30. März 1202 starb, war er wegen seiner prophetischen Gaben über den Florenser-Orden hinaus bekannt, der 1570 wieder mit den Zisterziensern vereint wurde.

Depression als Ende der Welt

Valentin, Joachim

„Angst ist doch gefährlich, und eine Depression doch das Ende der Welt“. So fasst Lars von Trier, Grandseigneur des theologisch valenten Autorenfilms, die apokalyptische Kernaussage seines im Jahr 2011 veröffentlichten Films Melancholia in einem Gespräch zusammen.1 Bis dahin hatte er in seinen Filmen einen starken Schwerpunkt auf die Erlösungs- und Opferthematik gelegt (Breaking the Waves, 1996; Idioten, 1998; Dancer in the Dark, 2000, die von ihm sogenannte ‚Golden-Heart-Trilogie‘). Nach dem Kipppunkt Antichrist (2009) begann er nach einem öffentlichen Bekenntnis zur eigenen Depression, Alkohol- und Tablettensucht mit Melancholia (2011) eine neue Trilogie.

Umweltkrise – Gesellschaftskrise

Petermann, Dagmar

Würde ein Asteroid auf die Erde zurasen, der wahrscheinlich 70 % der Arten auslöschen würde, der das Meer versauern und den Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen lassen würde, so dass Küstenstädte mit hunderten Millionen Einwohnern überschwemmt würden, der Dürren, Hurricanes und Überschwemmungen verursachen und das Gleichgewicht von Meeresströmungen und Luftströmungen dauerhaft verändern würde, der die Erde in klimatische Bedingungen katapultieren würde, die sie seit den Dinosauriern nicht mehr gesehen hat, er würde wohl als apokalyptisch bezeichnet werden.

Apokalyptisches Intermezzo?

Gasper, Hans

Im letzten Buch des NT, der „Geheimen Offenbarung“, ist die Rede vom „Tausendjährigen Reich“. Was viele mit der Katastrophe des Nationalsozialismus verbinden, andere vielleicht mit den Zeugen Jehovas, ist für zahlreiche evangelikale Kirchen und Gemeinden weltweit ein Bild endzeitlicher Hoffnung. Diese Textstelle Offb 20,3 ff.6 f. ist angesiedelt zwischen Offb 19,11–21 mit seinen erschreckenden Visionen und Offb 21,1, wo es heißt: „Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde“. Fünfmal wird von der „ersten Auferstehung“ derer gesprochen, die „das Tier und sein Standbild nicht angebetet“ und dafür das Martyrium erlitten hatten: „Sie gelangten zum Leben und zur Herrschaft mit Christus für tausend Jahre: Die übrigen Toten kamen nicht zum Leben, bis die tausend Jahre vollendet waren. Das ist die erste Auferstehung. Selig und heilig, wer an der ersten Auferstehung teilhat! Über solche hat der zweite Tod keine Gewalt. Sie werden Priester Gottes und Christi sein und tausend Jahre mit ihm herrschen.“

Dominikanische Gestalt

Vincenz Ferrer OP (1350–1419)

Schmeiser, Norbert

„Liebe Zuhörer, ich will euch heute vom Ende der Welt predigen, denn diese Welt wird … in kürzester Zeit untergehen“1 – so eröffnete Vincenz Ferrer seine Predigt am Freitag einer Pfingstoktav zwischen 1413 und 1417. Wer war dieser apokalyptische Prediger? Wie nah sah er das Weltende kommen? Was hielt er für Anzeichen der Endzeit? Was wollte er mit dieser Voraussage bezwecken? Wie wirkte sie in der Gesellschaft?

Wiedergelesen

J.B. Metz, „Unzeitgemäße Thesen zur Apokalyptik“

Kroth, Jürgen

Die gesellschaftliche, politische und auch kirchliche Situation wird derzeit von einem alles überlagernden Problem gekennzeichnet: der Pandemie durch das Coronavirus Sars-CoV-2. Das ist nun auch für die Frage nach der Apokalyptik keineswegs äußerlich. Schon vor vielen Jahren beschied die damalige britische Premierministerin Margret Thatcher vor allem bei ihren wirtschaftsliberalen Entscheidungen, dazu gebe es keine Alternative. Das bekannte Kürzel war: TINA – there is no alternative. Längst hat dieses Denken Einzug gehalten vor allem in die politischen Artikulationsformen. Im Hintergrund solch vermeintlicher Alternativlosigkeit wirkt der gleichfalls vor vielen Jahren erfolgte Angriff auf das utopische Denken selbst1, der sich inzwischen beinahe zu einer utopiefeindlichen Mentalität verdichtet hat.